Unterwegs mit einem BEV-Prototypen: Noch vor den ersten Ergebnissen der E-Auto-Kooperation mit Toyota wird ein selbst entwickeltes Elektroauto von Mazda auf den Markt kommen, das seine Energie aus einem Akku bezieht. Der Clou: Der Antrieb soll modular um einen Range-Extender und einen Generator erweitert werden können.

TPV – Technology Prove-out Vehicle für Mazdas kommendes E-SUV

Mazda hatte ins E-Auto-Mekka Norwegen gerufen, um die Funktionsweise und das Konzept für das erste Elektroauto der Marke vorzustellen. Lange haben sie gebraucht, doch was lange währt, könnte tatsächlich gut werden. Zumindest die Ideen hinter dem Konzept für das noch namenlose Auto, das zur Ende Oktober beginnenden Tokyo Motor Show Weltpremiere feiern und 2020 auf den Markt kommen soll, unterscheiden sich in einigen Punkten von allem, was man derzeit auf dem Markt findet.

Jinba Ittai

Auf den ersten Blick konnte man den vier mattschwarz lackierten Prototypen nicht ansehen, was da herum fuhr: Die batterieelektrische Plattform (BEV – Battery Electric Vehicle) wurde geschickt unter Karosserien des flammneuen SUV CX-30 versteckt. Lediglich abgeklebte Mazda-Logos, eine ausbeulende Abdeckung über dem „Tankstutzen“ für die Ladeverbindung und fehlende Auspuffrohre ließen vermuten, dass da etwas Besonderes herumfährt. Und natürlich die Bezeichnung TPV (Technology Prove-out Vehicle), die groß auf den Seiten der Fahrzeuge zu erkennen war.

Wie „Prove-out“ das Vehicle war, wurde bei der Einführung angesagt: Abgesehen vom ABS waren keine der später vorgesehenen und heutzutage angesagten Fahrhilfen an Bord, was die Warnleuchten des zweckentfremdeten CX-30-Cockpits eindeutig zeigten – mal abgesehen von der ganzen Technik, die in der batterieelektrischen Plattform schon drin steckt. Und die hat es in sich.

Unter anderem die Ladeabdeckung wirkt noch – improvisiert

Für Mazda gilt nämlich das, was im Marketing-Jargon einer großen deutschen Automarke „Aus Freude am Fahren“ heißt: Pursuit of the Driving Joy, das Ziel der Freude am Fahren, das als „Sustainable Zoom Zoom 2030“ gleichzeitig die Natur schonen soll. Dabei steht „Jinba Ittai“, die Einheit zwischen Pferd und Reiter, im Pflichtenheft ganz oben.

In die Fahrwerksstruktur eingebaut: Der Rahmen für das Akkupaket

Strukturelle Maßnahmen

Auf dem Weg zu diesem Ziel spielen Akku und Motor eine zentrale Rolle. Sie warten nicht mit den immer fetteren Leistungs- und Kapazitätswerten auf, mit denen die Neuheiten der Konkurrenz auf dem Markt so gern protzen, um die Angst vorm Stehenbleiben zu besänftigen. Mazda beschränkt sich ganz bewusst auf eine Motorleistung von 105 kW, ein Drehmoment von 265 Nm und eine Akkukapazität von 35,5 kWh – und das aus mindestens drei Gründen: Zum einen ist es bei größeren Akkus mit dem besseren ökologischen Fußabdruck eines Elektroautos nicht mehr weit her, zum anderen bringt ein großer Akku einiges an Gewicht und Kosten mit. Und drittens braucht ein großer Akku auch wieder viel Strom und Zeit, um aufgeladen zu werden.

Im Sinne von Jinba Ittai reden wir also von einem vergleichsweise kleinen und leichten Antriebspaket, das mehr als genug Leistung mitbringt. Der Rahmen, der den Stromspeicher trägt, ist in die Struktur der Plattform eingebunden und verleiht ihr einen niedrigen Schwerpunkt und eine verbesserte Steifigkeit – und damit eine höhere, stabilere Reaktionsgeschwindigkeit auf die Befehle des Fahrers. Zusätzlich verteilt die Steuerungselektronik die Traktion abhängig von Gaspedalstellung, Lenkeinschlag und Neigung des Fahrzeugs an die Räder. In Mazdas Technik-Sprech heißt das G-Vectoring Control.

So trägt der Rahmen zur Steifigkeit und Reaktionsschnelligkeit des Fahrwerks bei

Doch das soll noch nicht alles sein. Jinba Ittai berücksichtigt nicht nur die Querbeschleunigungen, sondern auch in Längsrichtung soll der Fahrer die Bewegungen und Beweglichkeit des Autos im rechten Fuß haben. Sowohl Beschleunigung als auch das Abbremsen können durch Geschwindigkeit und Umfang der Fußbewegung gesteuert werden, und die Elektronik erledigt im Zusammenspiel mit der steiferen Plattform den Rest.

Elektromotor (links), Wankelmotor als Range-Extender (mitte) und Generator (rechts) sollen modular aufgebaut sein und in verschiedenen Leistungsstufen möglich werden

Reichweitenkonzept

Dass die 200 Kilometer, die aus den genannten Werten in der Praxis aller Erfahrung nach mit einer Akkuladung zurückgelegt werden können, für den durchschnittlichen Kunden (nur) im täglichen Kurzstrecken- und Pendelbetrieb ausreichen, ist auch Mazda klar. Dafür haben die Entwickler um Matsuhiro Tanaka (Abteilungsleiter Fahrzeugentwicklung) und Hiroyuki Matsumoto (Leitung Entwicklung und Produktplanung) eine Baukastenlösung in der Schublade, die auf der Mazda-typischen Wankel-Technologie aufbaut. Der vibrationsarm laufende Kreiskolbenmotor wird als Range Extender eingesetzt, der mit einer Tankfüllung etwa die doppelte Akkureichweite nachliefern soll. Wankel, Generatortechnik und Elektromotor sollen dann gemeinsam nicht mehr Platz benötigen und Gewicht mitbringen, als ein aktueller Verbrennungsmotor.

Es ist anzunehmen, dass ein solcher Range Extender nicht die volle Leistung des Elektroantriebs liefern wird. Aber das ist ja auch überhaupt nicht notwendig: Wenn im Range-Extender-Modus die Reichweite mit Tempo 120-130 verdreifacht werden kann, verlieren größere Entfernungen auch im Zeitalter der Elektromobilität ihren Schrecken.

Im TPV gab es noch keine Reichweitenverlängerung

Als Treibstoff haben die Mazda-Entwickler übrigens alle Brennstoffe aufgezählt, die man in einem Motor verbrennen kann: Von Benzin über Auto- und Erdgas bis hin zu Wasserstoff stehen im Hause Mazda alle Technologien zur Verfügung. Wie über die Leistung von Generator und Wankelmotor ist da aber das letzte Wort noch nicht gesprochen – eventuell wird der Schleier an dieser Stelle auch erst nach der Tokyo Motor Show gelüftet.

Erlebnis Jinba Ittai

Die zur Verfügung stehenden Prototypen waren „Akku-only“ – mit einem eingebauten Range Extender kommen also nochmal ein paar Kilo in der Front des Autos hinzu. Aber auch so konnte schon beeindrucken, wie weit die Entwickler auf dem Weg zum Jinba Ittai schon gekommen waren. Klar: Hier und da war eindeutig zu spüren, wo noch Anpassungen in der Antriebssteuerungen zu erwarten sind. Aber die Grundlage? Driving Joy.

Allein die Masse des Antriebs sorgt im Zusammenspiel mit dem Fahrwerk schon für einen guten Federungskomfort. Der geht aber bei Einsatz des G-Vectorings mit einer Wendigkeit und Kurvenstabilität einher, die man in anderen Fahrzeugen suchen muss. Sicherlich aufs Beste unterstützt von dem Faktor, dass die TPV-Prototypen im Vergleich zu den in letzter Zeit vorgestellten SUV locker eine halbe bis Dreivierteltonne leichter geraten sind.

Nicht zuletzt deshalb muss man sagen: 105 kW und 265 Nm reichen, wenn sie so spontan und doch im Ansatz sanft zupackend serviert werden, locker in jeder Lebenslage aus. Gleichzeitig haben sich die Mazda-Entwickler eine Geräuschkulisse einfallen lassen, die der eines Verbrenners verdammt nahe kommt und dennoch dezent im Hintergrund bleibt. Mit Straßenbahn hat das jedenfalls nichts zu tun, was der TPV-Prototyp von sich gegeben hat.

Der Motorradfahrer im Verfasser dieser Zeilen hat sich jedenfalls richtig wohl und gut unterhalten gefühlt, obwohl so ein Mazda schlicht und ergreifend zwei Räder zu viel aufweist.

Verblüffend.