Kann man Autos unterschiedlicher Marken, die auf einer Plattform entstehen, unterschiedlichen Charakter verleihen? Man kann. Der Opel Corsa-e ist der gefühlt dynamischste Kompakte aus dem PSA-Konzern. Wir sind mit dem Neu- zugang in Berlin ausgiebig gefahren.

Elektromobilität braucht bezahlbare, aber leistungsfähige Autos. Damit sind nicht etwa Sportwagen gemeint, sondern alltagtaugliche Gefährte, die auch denjenigen, die nicht den Luxus einer heimischen Wallbox genießen, sondern in der Stadt nach der nächsten Lademöglichkeit Ausschau halten müssen, unkomplizierte Mobilität ermöglichen.

Schnell laden

Dazu braucht es im Wesentlichen zwei Zutaten: Einen ausreichend großen Akku und die Möglichkeit, ausreichend schnell zu laden. Beides trifft auf den Corsa-e von Opel zu. Mit einem Akku, der souveräne 50 kWh bunkert, ist er grundsätzlich für die üblicherweise innerhalb einer Woche zurückgelegten Strecken gerüstet. Ist der Kraftspender leer, nuckelt der Corsa an Wechselstrom, wie man ihn meist innerstädtisch findet, mit einer Leistung von bis zu 11 kW. An Gleichstrom, den Schnellader entlang der Autobahnen spenden, dürfen es bis zu 100 kW sein.

Was bedeutet das faktisch? Wenn der Akkustand beispielsweise unter 20 Prozent gesunken ist, benötigt der Corsa-e an einem DC-Lader etwa 30 Minuten, um wieder zu 80 Prozent gefüllt zu sein. Oberhalb dieses Wertes geht die Ladung langsamer vonstatten, eine Eigenschaft, die alle Elektroautos miteinander teilen. An der Wallbox oder einem Ladepunkt im öffentlichen Raum kann der Corsa-e mit bis zu 11 kW laden, wenn wie in der Ausstattungsvariante „Edition“ der leistungsfähige On-Board-Lader installiert ist. Aber auch die „kleine“ Version ermöglicht schon bis zu 7,4 kW. Im ersten Fall ist der Corsa in gut 5 Stunden wieder randvoll – so sähe das typische Szenario mit der heimischen Wallbox aus.

Wer viel in der Stadt unterwegs ist, nutzt üblicherweise die dort vorhandenen Ladepunkte und lädt so immer dann, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Den Zugang zum mittlerweile recht üppigen, aber inhomogenen Ladenetz ermöglicht die „Free2Move“ App des PSA-Konzerns. Sie zeigt nicht nur Ladestationen in der Umgebung oder entlang der Route an, sondern über sie kann auch bezahlt werden. Der Corsa-e-Fahrer bekommt dann jeweils am Monatsende eine Abrechnung für den geladenen Strom.

Der Corsa-e ist gefühlt der dynamischste Vertreter des auf der CMP-Plattform basierenden Trios

Schnell unterwegs

Akku voll? Dann kann es losgehen. Wir begeben uns in den dichten Verkehr der Hauptstadt und lassen den Corsa auf uns wirken. Gestartet wird dieser im „Normal-Modus“. In diesem stehen 80 kW zur Verfügung, das maximale Drehmoment liegt bei 240 Nm. Damit geht der Corsa schon ganz ordentlich, im Metropolchaos schwimmt man so nicht nur mit, sondern überholt auch lässig. Richtig flott wird es aber, wenn man den Schalter für den Fahrmodus in Richtung Sport klickert. Dann liegen die maximalen 100 kW und das Drehmoment von 260 Nm an. Letzteres elektrotypisch direkt aus dem Stand. So verblüfft der Corsa andere Verkehrsteilnehmer mit seinen Spurtqualitäten. 

Bis zu City-Geschwindigkeit von 50 km/h vergehen gerade mal 2,8 Sekunden. Die Stammtischmarke von 100 Sachen absolviert der kompakte Opel in 8,1 Sekunden, aber auch dann scheint ihm die Luft nicht auszugehen. Flink erobert er die linke Spur der Autobahn bis bei 150 Sachen die elektronische Begrenzung greift. Man merkt, dass der Opel noch lässig weiterbeschleunigen könnte, doch im Sinne guter Effizienz und der Vernunft haben die Entwickler ihm bei dieser Marke eine elektronische Begrenzung geschenkt. Auf den regenfeuchten Straßen Berlins schafft man es übrigens lässig, die Vorderreifen zum Durchdrehen zu bringen. Bei solchem Wetter empfiehlt sich eher der normale Betriebsmodus, wenn man schnell von der Ampel wegwill. 

In Kurven merkt man den niedrigen Schwerpunkt, der Corsa-e liegt wie das sprichwörtliche Brett auf der Straße und macht jede Menge Spaß. Das Handling des einen Hauch über vier Meter langen Gefährts ist ausgezeichnet, Kurven lassen sich präzise durchzirkeln.

Gebremst wird zunächst einmal durch Rekuperation, die in zwei Stufen eingesetzt werden kann. Die höhere, die sich am Wählhebel mit einem Handgriff aktivieren lässt, verhilft dem Corsa zwar noch nicht zu einem echten „One- Pedal-Driving“, reicht aber für die meisten Alltagsbedingungen aus. Ist mehr Verzögerung gefragt, muss natürlich das Bremspedal zum Einsatz kommen, aber auch hier wird zunächst nur die Rekuperation gesteigert – bei gleichzeitigem Aktivieren der Bremsleuchten. Erst, wenn sie Situation wirklich knapp wird und mehr Bremskraft vonnöten ist, setzt die mechanische Verzögerung ein.

Schön sparsam

Im etwas kühlen und regnerischen Berlin kommt man Anfang März noch nicht ohne Heizung aus. Doch glücklicherweise ist diese dank Wärmepumpentechnik im Corsa ausgesprochen effizient. Der Wechsel von „Aus“ zu Wohlfühlklima kostet in der Reichweitenanzeige gerade mal 12 Kilometer, bei angezeigten 240 km Gesamtreichweite. Laut WLTP sind bis zu 337 km drin, was unter sommerlichen Bedingungen absolut realistisch erscheint. Im kühlen Spätwinter kamen wir mit einem Verbrauch von etwa 16 kWh/100 km gut zurecht. Für die Spurtaktionen und eine etwas größere Autobahnetappe vermeldet der Bordcomputer einen Wert knapp über 20 kWh.

Im Sommer dürften Werte unter 15 kWh absolut realistisch sein, womit dann auch die WLTP-Reichweite in greifbarer Nähe ist. Wer sehr viel in der Stadt unterwegs ist und regen Gebrauch von der erhöhten Rekuperationsstufe macht, kann auch noch weitaus bessere Werte erreichen. Ebenfalls reichweitenförderlich ist der Eco-Modus, bei dem die Leistung auf 60 kW beschränkt wird. Darüber hinaus wird auch die Heizleistung zurückgenommen. Sollte es mal knapp bis zum Ziel werden, empfiehlt sich diese Variante, die allerdings fahrdynamisch schon sehr zurückhaltend und somit spaßbefreit ist. Kommt der Akku dann ganz in den roten Bereich, erscheint eine charmante Schildkröte im Display. Dann ist es definitiv an der Zeit, die nächste Ladesäule anzusteuern.

Fully loaded

Was kann der Corsa außer elektrisch noch? Ausstattung bzw. Assistenzsysteme. Und das in epischer Breite. Die Liste beginnt beim LED-Matrix-Licht, die der Corsa im Kleinwagen-Segment exklusiv aufweist. Dazu kommt eine richtige Abstandsautomatik für die Autobahn, die mit einem Spurhalte-Assistenten kombiniert ist, der den Opel wirklich in der Mitte der Fahrbahn hält und nicht etwa wild hin und her pendelt. Dazu kommt das übliche Sortiment an Sensorik für Parkvorgänge, kombiniert mit einer 180 Grad-Kamera. 

Das Smartphone kann man induktiv laden, wir empfehlen aber den Anschluss per Kabel, weil man dann in den Genuss von Android Auto bzw. Apple CarPlay kommt und so seine gewohnte Medienvielfalt direkt in Reichweite hat. Zudem lassen sich so diverse Navigationstools von TomTom über Apple Maps bis hin zu Waze oder natürlich Google nutzen. Internetradio und der bevorzugte Streamingdienst, sei es Spotify, Apple Musik oder Tidal, sind dann auch automatisch mit an Bord. 

Schön schlicht

Das Interieur des Corsa? Nun, es ist typisch Opel. Alles fasst sich ordentlich an, liegt dort, wo man es vermutet und macht den Eindruck, dass es auch nach einem Jahrzehnt noch funktioniert. Was dem Kleinen hingegen völlig abgeht, sind modische Details. Man kann das durchaus zeitlos nennen, schaut man sich hingegen die Konzernbrüder, den Peugeot 208e und den DS 3 Crossback e-Tense an, dann sieht man, dass die Franzosen ein anderes Verhältnis zum Thema Gestaltung haben. Nichtsdestotrotz ist der Corsa ein schöner Anblick. Die Proportionen passen, technisch orientierte Stylingdetails wie die kleinen Schriftzüge in den Rückleuchten machen auch auf den zweiten Blick Freude, und insgesamt kann man dem kleinen Rüsselsheimer einen überaus gelungenen Auftritt bescheinigen. 

Gute Wahl

Kommen wir zurück zu unserer anfänglichen Fragestellung. Hat der Opel Corsa-e das, was ein Elektroauto heute braucht, um Herzen zu brechen? Definitiv. Darüber hinaus hat er zudem einen überaus charmanten Preis, denn dieser startet bei fairen 29.900 Euro, und dafür bekommt man bereits ein sehr gut ausgestattetes Auto. Die seit kurzem erhöhte BAFA-Förderung in Höhe von 6.000 Euro kann man da noch abrechnen und landet dann bei einem formidablen Angebot, gerade im Hinblick auf die Folgekosten. Wer es also jetzt mit der Elektromobilität versuchen möchte, der kann hier bedenkenlos zugreifen. 

Opel Corsa-e

Kompaktfahrzeug mit großem Akku, üppiger Reichweite und tadelloser Ladegeschwindigkeit. Dass Opel darüber hinaus noch tief in die Ausstattungskiste gegriffen hat, macht den Corsa nochmals begehrenswerter.