Elektrisches Fahren hat schon aufgrund des nahezu lautlosen Antriebs eine besondere Qualität. Im EQS von Mercedes kommt diese ganz besonders zu tragen. Wie fühlt sich die Luxuslimousine auf 1.000 km und mehr an?
Mit dem EQS hat Mercedes seine aktuelle Elektroplattform namens EVA in den Markt eingeführt. Die vollelektrische Luxuslimousine soll das State-of-the-Art-Modell sein, das demonstriert, was in Sachen Elektromobilität alles machbar ist. Wir haben uns mit der Variante 450+ auf Tour gemacht, um für unser Format ED1000 Alltags- und Langstreckentauglichkeit zu erproben. Um es vorwegzunehmen: Es ist nicht bei den 1000 km geblieben, der EQS verführt einfach dazu, lange Strecken in Angriff zu nehmen.
Luxus pur
Zweifellos gehört der EQS zu den aktuellen Benchmarks in Sachen Automobilbau. Die Materialität stimmt an jeder Stelle, alles ist exakt und passgenau verbaut. Man merkt, dass die Konstrukteure hier aus dem Vollen schöpfen durften. Die Sitze stellen in punkto Bequemlichkeit diverse Couchgarnituren in den Schatten, vermitteln aber dennoch ein Gefühl davon, wo und wie man fährt. Sofort nach dem Einsteigen hat man die Gewissheit, mit diesem Auto lange Strecken nicht nur zurücklegen zu können, sondern auch zu wollen. Wer keine Scheu vor Aufpreislisten hat, kann sich das Interieur ganz nach Gusto verfeinern, Zitate, vor allem Preiszitate aus den entsprechenden Unterlagen verkneifen wir uns an dieser Stelle. Ein Blick auf den Konfigurator reicht da meist aus.
In Sachen Infotainment kann man beim EQS die „normale“ Variante mit einem schon nicht kleinen Display wählen, in unserem Testwagen war es der fulminante Hyperscreen. Hier sitzen gleich drei Displays in einem nahtlosen Formteil sodass sich der Eindruck eines gigantischen Bildschirms ergibt. Den beeindruckendsten Part übernimmt dabei das gigantische Zentraldisplay. Hier wirkt alles riesig, dennoch muss man dem Mercedes-UI, also dem Nutzerinterface neidlos bescheinigen, dass es den vorhandenen Raum optimal nutzt.
Die Bedienung ist überaus intuitiv und die meisten fahrrelevanten Funktionen erreicht man mit einem oder zwei Fingertipps. Alternativ kann man natürlich auch die Spracheingabe nutzen, die natürliche Sätze versteht und sogar den einen oder anderen Witz parat hat.
Essenziell ist bei einem E-Auto natürlich die Ladeplanung und hier gehört Mercedes aktuell noch zu den Klassenbesten. Schon zu Fahrtbeginn werden die voraussichtlich notwenigen Ladestopps berechnet und in die Route integriert. Funktioniert haben bei unserer Routenplanung alle berechneten Stationen, auch wenn wir uns hier und da gefragt haben, warum der Algorithmus Rasthöfe neben der Autobahn einplant, wenn wenige Kilometer dahinter Schnellader direkt an Raststätten locken, zumeist dann noch von Ionity, an denen die Stuttgarter ja ohnehin beteiligt sind.
Lässiges fahren
Man könnte meinen, dass die besten Plätze im EQS die hinteren sind und in Sachen Raumangebot stimmt das auch, doch der große Benz ist nicht nur ein Auto zum „Fahren lassen“. Er macht auch vom Fahrersitz aus jede Menge Spaß, was nicht zuletzt am optionalen Fahrwerk mit dem größeren Lenkeinschlag hinten, nämlich 10 statt 4 Grad liegt. Das vermeintlich „kleine“ Feature ist übrigens im EQS fest verbaut. Wer es nicht beim Kauf mit erworben hat, kann es nachträglich freischalten – moderne Zeiten.
In der Praxis führen die bei niedrigen Geschwindigkeiten gegenlenkenden Räder zu einem für diese Fahrzeuggröße unfassbar kleinen Wendereis von gerade mal 10, 1Metern. Das klingt zu theoretisch? Nun, im Parkhaus kommt man damit lässiger klar als diverse Kompaktfahrzeuge. Und auch wenn die oft zitierten, engen Straßen Italiens nicht auf dem Programm stehen, freut man sich bei jeder der immer häufiger werdenden Verengungen im Straßenverkehr über die beeindruckende Handlichkeit des EQS. Bei hohen Tempi hingegen lenken die Hinterräder in die gleiche Richtung wie die vorderen und sorgen dadurch bei Spurwechseln für mehr Stabilität.
Der Antrieb im EQS 450+ gehört mit 245 kW zu den moderateren im Portfolio. Trotzdem befähigt der Elektromotor im Heck die fast zweieinhalb Tonnen schwere Limousine zu einem Spurt von 0 auf 100 km/h in 6,2 Sekunden. Abgeregelt wird der Benz bei 210 km/h – an dieser Entscheidung gibt es nichts zu kritisieren. Wenn es sein muss, geht es also recht flott voran, wobei das naturgemäß den Verbrauch in die Höhe treibt.
„Beeindruckend effizient“
Im EQS steckt ein riesiger Akku mit 107,8 kWh nutzbarer Kapazität. In Kombination mit unseren Alltagsverbräuchen zwischen 20 und 25 kWh/100 km ergibt sich daraus eine Reichweite zwischen gut 400 und mehr als 500 Kilometern. Wenn man es darauf anlegt, kann man den EQS auch unter 20 kWh pro 100 km bewegen, in der Stadt geht das aufgrund der hervorragenden Rekuperation ohnehin, Dass man die Reichweite zudem sehr gut ausnutzen kann, ist mit ein Verdienst der vertrauenerweckenden Ladeplanung.
Nur 400 Volt, aber eine Ladekurve aus dem Lehrbuch
An der HPC-Ladesäule nuckelte der große Mercedes dann mit bestenfalls gut 200 kW. Die ausgesprochen flache Ladekurve sorgt dafür, dass man nicht nur kurz mit Spitzenwerten lädt, sondern beim typischen Ladevorgang von 20 auf 80 Prozent im Schnitt rund 160 kW erzielt. Das ist für ein Fahrzeug mit 400-Volt-Technik absolut beeindruckend. Wer die Ladesäule per Navigation ansteuert, kommt bei niedrigen Temperaturen zudem in den Genuss der Vorkonditionierung. Das bedeutet, die Batterie wird zusätzlich vorgewärmt, um an der Säule dann optimale Werte zu erzielen. Das kostet etwas Strom, bringt aber einen deutlichen Zeitgewinn.
Fazit
Ja, soviel Luxus muss man sich erst einmal leisten wollen und können. Doch ist die Wahl einmal auf den EQS gefallen, dürfte es wenig Grund zur Reue geben. Wer viel und auf langen Strecken unterwegs ist, geht hier so gut wie keine Kompromisse ein. Verarbeitung und Komfort suchen ihresgleichen und selbst der Verbrauch ist für ein Auto dieser Dimensionen mehr als in Ordnung.