
Auch in Indien, inzwischen bevölkerungsreichstes Land der Welt, ist Elektromobilität ein großes Thema, was auch und insbesondere für motorisierte Zweiräder gilt. Royal Enfield, britischstämmige und inzwischen komplett übergesiedelte Marke für kultige Motorräder kann und will sich dem nicht verschließen und zeigt mit der Electric Himalayan Testbed – Spitzname Him-E – die zweite Version eines Entwicklungsträgers.
„Richtige“ Motorräder mit Elektroantrieb sind derzeit (noch?) Mangelware. Auch wenn schon viel angekündigt wurde, sind viele Modelle aus hiesiger Motorradfahrersicht höchstens zum Pendeln zwischen zwei festen Standorten wirklich „brauchbar: zu gering die Reichweiten, noch geringer die Ladegeschwindigkeiten, und die Lademöglichkeiten befinden sich überall, nur nicht da, wo Motorradfahrer gern hin fahren und/oder Pausen machen.
Da mutet es schon spannend an, wenn ein – ebenfalls aus hiesiger Sicht – kleines Licht auf der Motorradfahrerkarte mit der schon zweiten Version eines Elektromotorrads um die Ecke kommt. Royal Enfield, 1901 in Großbritannien gegründet, seit 1955 auch in Indien aktiv und inzwischen rein indisch, ist nicht nur der erste kontinuierlich produzierende Motorradhersteller, sondern hat sich in den bald 125 Jahren zum weltweit größten Hersteller von Motorrädern mit 250 bis 750 ccm Hubraum gemausert. Kleines Licht? Im Gegenteil: Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, denn der Mutterkonzern Eicher Group ist der größte Landmaschinenhersteller Indiens mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern.

Zweirädrige Elektroambitionen
Wie in den meisten anderen Ländern Asiens haben motorisierte Zweiräder auch in Indien einen ganz anderen Stellenwert als in Europa – erst recht im Vergleich zu Deutschland. Auch in den Metropolen Italiens, Spaniens und Frankreichs gibt es nicht so viele Motorräder und -roller wie in den indischen Millionenstädten. Die Luftverschmutzung ist dort so groß, dass der Löwenanteil der motorisierten Zweiräder in Zukunft elektrisch unterwegs sein muss: Für Antriebe bis 150 ccm soll in den Städten ein Betriebsverbot herrschen.
Mit den beiden Varianten der Flying Flea, der FF.C6 und FF.S6, vorgestellt in der letzten Ausgabe von Electric Drive, hat sich auch Royal Enfield auf diesen Weg begeben. Noch mehr stellten die Inder schon 2023 eine elektrische Variante des 450-ccm-Adventurebikes Himalayan als Entwicklungsträger vor. Auch wenn die Electric Himalayan in der jetzt gezeigten Variante 2.0 immer noch als reiner Entwicklungsträger und eher als „umfassend fähiges Tourenmotorrad“ denn als „Enduro“ bezeichnet werden soll, zeigt sie einige Details, die für eine solche Nutzung sprechen. Neben der klassischen Bereifung mit 21-Zoll-Rad vorn und 18-Zöller hinten sind das eine dicke Upside-Down-Gabel mit viel Federweg sowie ein fetter Motorschutz und Sturzbügel. Und mit einem großen Windschild wird die Him-E 2.0 dann auch noch richtig reisetauglich. Dazu wirkt sie auch schon zu „fertig“ und nicht so „zusammengestoppelt“ wie manch anderer Technologieträger.

Serienproduktion?
Gegenüber der erste Version hat die Him-E 2.0 einige Verbesserungen erfahren. Neben einer gesteigerten Leistung und einer vergrößerten Reichweite gibt es einen größeren Akku mit höherer Ladeleistung. Dazu kommt die Möglichkeit, ein Smartphone als Cockpit an die Elektronik des Motorrads zu koppeln.
Auch wenn die Eicher Group respektive Royal Enfield sich mit Zähnen und Klauen dagegen wehrt, dass wir mit der Him-E 2.0 bzw. Electric Himalayan Testbed 2.0 ein künftiges Serienmotorrad sehen: Einige Aktivitäten scheinen eine andere Sprache zu sprechen. Zum einen investierten die Inder 50 Millionen Euro in das spanische Unternehmen Stark Future, einen Hersteller interessanter Enduros und Wettbewerbscrosser. Zum anderen wurde 2023 angekündigt, mindestens 150 Millionen Euro in die Entwicklung elektrischer Motorräder zu investieren.