Dieses Auto ist alles, was der „normale“ EV-Interessent eigentlich nicht möchte: ein ausgewachsenes SUV, ultrakräftig und leider auch teuer. Doch genau das macht die Faszination des AMG EQE aus. Die wir in Kalifornien zwar nur „erahnen“ konnten, doch das macht Lust auf mehr.

San Diego, Mai, früher Morgen. Die klamme Luft lässt die Nähe des Meeres spüren, auf dem viel zu kleinen Platz am Seiteneingang des Hotels steht eine Reihe von AMGs, die auf ihren Einsatz warten. Der enge Startplatz scheint bewusst gewählt, denn hier kann die aktive Hinterradlenkung direkt ihre Vorteile ausspielen, wenn man versucht, den Boliden vom Hof zu zirkeln. 10,9 Meter Wendekreis machen vielen Kleinwagen Konkurrenz – 1:0 für Hightech.

Sch… Limits

Die Küstenstraße entlang der Strände bietet noch kein Potenzial für flotte Fahrweise, eher zum Cruisen und Schauen. Die ersten Surfer in ihren Neoprenanzügen klettern aus den am Strand geparkten Wohnmobilen, und während man dort das Vanlife lebt, suchen wir das SUV-Life, aber das auf Steroiden. Das Antriebspack im AMG EQE kann bis zu 505 kW liefern, doch wo will man das hier ausprobieren? Also lassen wir den Vortrieb Vortrieb sein und suchen uns eine kurvige Strecke im Hinterland, was nach einer guten halben Stunde auch funktioniert. Vor uns liegen nicht enden wollende Kilometer oder vielmehr Meilen mit unterschiedlichen Kurvenradien, tasten wir uns also durch die verschiedenen Modi des EQE.

Ein kleiner Dreh am todschicken, mit einem Display versehenen Regler im griffigen Lenkrad versetzt den AMG in den Sport-Modus und damit schon mal in erhöhte Leistungsbereitschaft. Die künstliche Soundkulisse innen wie außen tut kund, dass das Material und wir zu fahrerischen Großtaten bereit sind. Neben der erhöhten Leistungsabgabe geht in diesem Modus auch das Fahrwerk schon mal in eine gewisse Vorspannung, sodass Kurven sich noch präziser nehmen lassen und die Wankneigung reduziert wird.

„Selbst engste Kurven lassen sich dank der Hinterradlenkung mit ganz wenig Aktion am Lenkrad perfekt pilotieren“

Eine Rastung weiter gelangen wir zu „Sport +“, dem Maximum an Kernigkeit, wenn auch nicht übertrieben. Selbst engste Kurven lassen sich dank der Hinterradlenkung mit ganz wenig Aktion am Lenkrad perfekt pilotieren, und in Kombination mit der erhöhten Rekuperation von bis zu 260 kW, die wir uns eingestellt haben, genießt man auch in solch sportlichen Momenten nahezu perfektes One-Pedal-Driving. Das ist ein wenig schade für die Hochleistungs-Bremsanlage, die so kaum zum Einsatz kommt, aber gut für die Effizienz. Am Kurvenausgang schieben die zwei Motoren die Fuhre dann mit so viel Kraft auf allen vier Rädern nach vorne, dass man kaum glaubt, hier 2,7 Tonnen Mensch und Maschine zu bewegen. Ob wir es unterwegs nur ansatzweise geschafft haben, die 505 kW zu nutzen? Nein, denn diese gibt es nur im Modus „Race Start mit Boost Funktion“. Bei Sport+ liegen maximal 460 kW an, in den anderen Modi bis hinunter zu Glätte sind es dann teils nur 230 kW.

Cool Down

Nach der Kurvenhatz geht es wieder in Richtung Küste. Wir wechseln zurück auf „Comfort“ und freuen uns, ganz entspannt die Landschaft genießen zu können, während Abstandsautomatik und Spurassistent uns einen Großteil der Arbeit abnehmen. „Keep your lane“ lautet das Motto, und das darf dann auch mal die Elektronik übernehmen. Wir resümieren: Wir sitzen in einem Sportwagen, der, wenn er möchte, in 3,5 Sekunden auf 100 km/h spurtet. Ja, die Höchstgeschwindigkeit ist begrenzt, auf 220 km/h bzw. 240 km/h mit dem optionalen AMG Dynamic Plus Paket, das sollte jedoch in allen Fällen reichen. Und trotz aller Sportlichkeit genießen wir Raum und Komfort, genug Platz auch für lange Trips. Für letztere passt auch die Reichweite, die nach WLTP bei maximal 455 km liegt. Keine Frage, so viel Dampf muss auch gefüttert werden, doch im warmen, kalifornischen Klima war es relativ leicht, sich um den angegebenen Verbrauchswert herum zu bewegen. In unserem AMG EQE SUV standen nach der Fahrt gut 24 kWh/100 km auf dem Bordcomputer, das kann man durchgehen lassen.