Klaus Szyciora, Designchef des VW-Konzerns, über die Entstehung des ID.Buzz
Viele Jahre hat es gedauert, bis der Traum der VW-Designer in Erfüllung gegangen ist, einen Nachfolger für den legendären T1 auf die Räder zu stellen. Welche Hindernisse es auf diesem langen Weg gegeben hat, wie die einzelnen Entwicklungsstufen waren, welche Kompromisse gemacht werden mussten, wo die größten Schwierigkeiten lagen und welcher Punkt unumstößlich war, darüber sprach Electric Drive in der Potsdamer Designzentrale des VW-Konzerns mit Klaus Szyciora.
Von Wolfgang Schäffer
Wann gab es die ersten Überlegungen, den T1 in einer modernen Version wieder zum Leben zu erwecken?
Klaus Szyciora: Das schwirrte eigentlich immer wieder in den Köpfen der Designer herum. Damals war das VW-Studio in Kalifornien beteiligt, und das Modell war der Ausdruck eines Orientierungsprozesses. Die Frage war „Machen wir in Amerika Produkte, die bekannt sind, wie SUV oder Pickups und Limousinen, oder machen wir etwas ganz anderes“? Der Impuls der Designer war klar: Wir machen etwas komplett eigenständiges, etwas, das unique ist. Dabei liegt es nahe, in der Zeit zurückzugehen und zu schauen: Was hat eigentlich die Marke ausgemacht, was ist denn das Besondere an an der Marke?
Die Marke VW hat da gleich zwei Produkte. Da ist einmal der Käfer, der eine sehr eigenständige, charakterstarke Form hat, Motor hinten, kein Grill, sehr kompakt und zudem erschwinglich für die Menschen. So hat der Käfer Mobilität demokratisiert. Dazu gab es den T1 – ein Fahrzeug, das ebenfalls komplett eigenständig und zudem charakterstark war. Damit hatte VW ein Fahrzeug auf die Straße gebracht, das man eigentlich nur lieben konnte. Die runden Augen, die geteilte Frontscheibe, die leicht nach vorne geschobene Dachform, die so ein bisschen wie eine Schiebermütze anmutet, viele Fenster und ganz besonders eben von vorne bis hinten Funktionalität.
Mit maximaler Raumausnutzung bei relativ kompakter Verkehrsfläche und einem relativ moderaten Preis war das Auto ideal, um ganz unterschiedliche Bedürfnisse zu erfüllen. Junge Leute waren ebenso begeistert wie Familien oder neue Betriebe, die mit dem Wirtschaftswunder nach oben gespült wurden. Das alles hat dazu beigetragen, dass der T1 mehr und mehr eine ikonische Wirkung ausgestrahlt hat und in Amerika letztlich auch zum Symbol der Freiheit geworden ist.
„Es gibt zwei „Definitionen“ von VW: neben dem Käfer den T1 – damit hatte VW ein Fahrzeug auf die Straße gebracht, das man eigentlich nur lieben konnte.“
Diesen Kern der Marke wieder zum Leben zu erwecken, neu zu denken, ist natürlich etwas, das einem Designer nahe liegt. Als Designer hast du eine unheimlich tiefe emotionale Verbindung zu einer Marke, die Marke wird gelebt, geradezu inhaliert. Ich habe immer davon geträumt, diese Produkte auf die Straße zu bekommen. Das hat mich über meine gesamte Karriere begleitet.
Und so war es auch mit der geplanten Neuauflage des T1 in einer modernen Version. Das Projekt war schon damals als Elektroauto gedacht – eine neue Form für eine neue Technologie. Hier ist auch der Brückenschlag zum ID. Buzz zu finden. Er ist ein Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wie der T1 bietet der ID. Buzz eine hohe Funktionalität und ist zudem extrem emotional in der Ausprägung. Das wird sich natürlich erst über die Zeit erschließen.
Wir haben das Fahrzeug so designt, dass es nicht total in die Retrorichtung gegangen ist. Wir haben eine Reinterpretation der Idee geschaffen, Funktion und Flexibilität auf kleinster Verkehrsfläche zusammen zu schieben. Dem Produkt dann eine Form zu geben, die charakterstark, einzigartig und sympathisch ist, das war unser Ziel. Mir persönlich ist es extrem wichtig, der Automobilität oder auch der Mobilität generell einen sympathischen Auftritt zu verleihen.
„Reaktionen „wie geil, toll, cool, will ich haben“ geben dem Unternehmen dann zumindest ein wenig mehr Sicherheit, die Investition zu tätigen.“
Wie waren denn die unterschiedlichen Entwicklungsstufen, bis es schließlich doch zum ID.Buzz gekommen ist?
Klaus Szyciora: Wir sind halt immer wieder mit derselben Idee im Vorstand aufgelaufen und haben versucht, das mit Konzepten zu füttern. Showcars haben aus meiner Sicht eine besondere Funktion: Sie zeigen nicht nur die Kreativität der Designer als Selbstzweck, sondern in erster Linie dienen sie dem Unternehmen als Nordsterne. Diese Produkte zeigen Visionen. Wenn die dann ausgestellt und tatsächlich greifbar sind, können sich Menschen ein Bild machen, können eventuell begeistert werden. Reaktionen „wie geil, toll, cool, will ich haben“ geben dem Unternehmen dann zumindest ein wenig mehr Sicherheit, die Investition zu tätigen.
Klar ist aber auch, dass damit immer ein Risiko verbunden ist. Die Entscheidung für ein Produkt außerhalb des Mainstreams ist risikobehaftet und nie einfach. Schließlich kostet es sehr, sehr viel Geld, ein Fahrzeug zu industrialisieren, also in Serie zu bringen. Wenn der Wagen nicht gekauft wird, ist eine Milliarde Euro in den Sand gesetzt. Das überleben viele Unternehmen nicht. Deswegen muss ganz klar der Fokus darauf liegen, dass sich die zu tätigen Investition auszahlen.
„Da der Verbrennungsmotor aus der Gleichung genommen wurde, hatten wir die Chance, die Idee des T1 als Ikone der Neuzeit wieder auf die Räder zu stellen.“
Bei den ersten Ideen wie dem Microbus und dann später dem Bulli, der in Genf stand, war das Vertrauen in den Erfolg dieser Produkte – glaube ich – nicht da. Möglicherweise standen die Projekte auch unter einem ungünstigen Stern: Beides waren keine Elektroautos. Rückblickend war es vielleicht eine verpasste Chance, auf der anderen Seite ist es aber wohl jetzt genau die Zeit, dieses Produkt wieder auf die Straße zu bringen. Gerade aus Designersicht spricht alles dafür.
Nie war ein Überhang vorne knapper geschnitten, nie war eine Verkehrsfläche besser ausgenutzt als jetzt beim ID. Buzz. Um das ein wenig einzuordnen: Der ID. Buzz ist zehn Zentimeter länger als ein Touran, damit immer noch ein recht kleines Auto. Der Innenraum aber ist so groß wie der des T6. Ich vergleiche das gerne mit dem Zelt aus den Harry-Potter-Filmen. Da steht so ein kleines Ding, doch nach dem Betreten durch die Luke kommt der Wow-Effekt. Wie kann das sein, dass so viel Platz da ist, noch ein Raum und noch ein Raum.
So ähnlich ist aus meiner Sicht das Gefühl beim ID. Buzz. Die Elektromobilität ermöglicht eben viel Platz auf sehr kleiner Verkehrsfläche. Da der Verbrennungsmotor aus der Gleichung genommen wurde, hatten wir die Chance, die Idee des T1 als Ikone der Neuzeit wieder auf die Räder zu stellen.
Das Interview in voller Länge auch als Video auf YouTube: https://youtu.be/j-EV2ECkUR4
Gab es besondere Fürsprecher oder auch klare Gegner dieses Projekts?
Klaus Szyciora: Da gibt es eine ganz witzige Geschichte. Herbert Diess hat uns Designer gechallengt. Mich persönlich natürlich auch. „Ihr habt jetzt ein paar Wochen Zeit, zeigt mal was ihr könnt, stellt mal eine Familie von Elektrofahrzeugen auf die Räder, und dann entscheiden wir, was wir machen.“ Für mich war klar, dass so eine Aufgabe nicht in ein ein paar Wochen zu schaffen war. Also haben wir überlegt, wie Ideen zu visualisieren sind, wie ist es möglich, mit sehr wenig Zeit sehr viel Output zu erzeugen.
Das ganze Designteam hat dann unterschiedliche Fahrzeugformen erdacht und eine ganze Familie von Produkten erfunden. Um uns zu behelfen, haben wir Seitenansichts-Bilder in der Größe Eins-zu-Eins gemacht und auf große Holztafeln geklebt. Die haben wir dann so ausgeschnitten, dass die wie Silhouetten-Modelle echter Autos aussahen. Mit dieser fotorealistischen Darstellung – ähnlich der Kulissenmalerei im Theater – haben wir dann zehn Modelle in einer Halle präsentiert. Herbert Diess hat sich die Objekte angeschaut und entschieden. Den nehmen wir, den nehmen wir, den nehmen wir nicht und so weiter. So ist letztlich die ID.-Familie entstanden. Und da der ID. Buzz da schon das ok bekommen hatte, geht er jetzt in Serie.
Aber es gab natürlich auch Stimmen, die gesagt haben, ja, diese ewige Idee der Designer. Das wird doch nichts. In einer offenen Diskussionskultur in einem Unternehmen gibt es immer für und wider. Dann müssen Argumente ausgetauscht werden, und schließlich gibt es eine Vorstandsentscheidung. Dass die beim ID. Buzz so gefallen ist, dafür bin ich sehr dankbar.
Da schließt sich die nächste Frage gleich an. Was bedeutet es für Klaus Szyciora ganz persönlich, dieses Projekt jetzt umgesetzt zu haben ?
Klaus Szyciora: Diesen Auftrag zu bekommen, das war für mich sicherlich eine Sternstunde in meiner Karriere. Das aus der Taufe gehoben zu haben und das Go zu bekommen ist ein tolles Gefühl. Aber ich muss ehrlich zugeben, über weite Strecken des Projektes bin ich immer vorsichtig geblieben. Die Erinnerung daran, dass ich schon einmal mit dem Microbus ein Auto zur Serienreife entwickelt hatte, da jedoch letzter Sekunde der Faden durchgeschnitten worden war und der fertig entwickelte Wagen in der Versenkung verschwand, hat meine Euphorie gebremst. Das hätte hier schließlich auch passieren können.
Der Aufwand für den ID. Buzz ist groß, und das Produkt hat in Sachen Stückzahl sicherlich seine Begrenzung. Es ist unterm Strich ein elektrischer Großraum-PKW und/oder ein elektrisches Transportfahrzeug, das immerhin zwei Europaletten transportieren kann. Auch der VW T6 ist ein beliebtes Produkt und hat eine hohe Wertigkeit. Ein Millionenseller wie Golf oderTiguan aber ist der T6 nun einmal nicht. Und Volkswagen schaut als Marke natürlich darauf, in Produkte zu investieren, die sich in sehr großen Stückzahlen bewegen und auf der ganzen Welt gekauft werden.
Investition in ein Produkt zu tätigen, das aufgrund der Marktsituation nicht in viele 100.000er gehen wird, war deshalb schon mutig. Das bewundere ich und bin sehr dankbar dafür, dass diese Entscheidung getroffen wurde. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass das Markenimage dieses Unternehmens durch so einen Sympathieträger nachhaltig geprägt wird. Mit dem Auto macht Mobilität Spaß und ganz besonders natürlich die Elektromobilität.
Das heißt, es sind viele Emotionen damit verbunden?
Klaus Szyciora: Ja klar. So etwas gemacht zu haben und und so stark darauf Einfluss genommen zu haben, das ist ein Highlight meiner Karriere. Davon werde ich noch meinen Enkelkindern erzählen. Ich bin vor allem aber auch stolz auf mein Team.
„Gemeinsam haben die beiden Fahrzeuge den genetischen Code des Produkts und natürlich der Marke. T1 und ID. Buzz sind funktional und kommen sympathisch rüber.“
In welchen Punkten gab es in Übereinstimmung zwischen T1 und dem ID. Buzz?
Klaus Szyciora: Gemeinsam haben die beiden Fahrzeuge den genetischen Code des Produkts und natürlich der Marke. T1 und ID. Buzz sind funktional und kommen sympathisch rüber. Doch es wäre ein Fehler gewesen, die Formen aus der Vergangenheit eins zu eins zu zitieren. Übernommen haben wir die Linie, die um das Auto herum und dann nach vorne durchs Gesicht läuft. Die runden Augen des T1 aber waren keine Option. Heute gibt es andere Technologie und Möglichkeiten der Gestaltung.
Die Farbtrennung indessen, also die schon vom T1 bekannte Zweifarbigkeit, ist eng mit der Ikone verbunden und ist zudem – zumindest für mich – ein Ausdruck von Lebensfreude. Sehr gespannt bin ich, wie Menschen das Fahrzeug mit dem enorm flexiblen Innenraum in Zukunft für sich adaptieren – ob es als Lieferwagen genutzt wird oder eher im privaten Bereich für Familie und Freizeit. Ich denke, der ID. Buzz wird sehr stark individualisiert werden und es wird wie einst beim T1 Tausende von Variationen geben. Wünschen würde ich mir, dass die Kunden den ID. Buzz auch als Plattform verstehen, um ihre Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.
„Dazu der Elektroantrieb hat nicht nur richtig Dampf, sondern läuft so leise, dass der Wagen zu einer Kathedrale für Musik werden kann.“
Es geht bei diesem Konzept nicht darum, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen, sondern es geht darum, gemeinsam den Moment zu erleben, eine geile Zeit zu haben. Dieses Gefühl, relaxed und cool dahinzugleiten, kommt im ID. Buzz schon auf den ersten Kilometern rüber. Und genau damit schlagen wir eine weitere Brücke zum T1. Die hohe Sitzposition ermöglicht den Blick über die anderen Verkehrsteilnehmer hinweg, der kleine Wendekreis trägt zum einfachen Handling bei. Dazu der Elektroantrieb, der nicht nur richtig Dampf hat, sondern so leise läuft, dass der Wagen zu einer Kathedrale für Musik werden kann.
Wo lagen die größten Aufgaben des Designs, und wo gab es Schwierigkeiten mit den Technikern?
Klaus Szyciora: Ein Auto in Serie zu bringen, ist immer eine extreme und komplexe Herausforderung. Es müssen Auflagen erfüllt werden, es gibt ständig Verhandlungen mit Produktions-Fachleuten, Ingenieuren, Crashexperten und Kollegen aus dem Windkanal. Das alles ist ziemlich kompliziert, und deswegen dauert es auch lange, ein Design in die Serie zu übersetzen. Wer da nicht kompromissfähig ist, wer nicht ständig nach neuen Lösungen sucht, der wird es nicht schaffen, etwas auf die Räder zu stellen. Das Team von Volkswagen Design hat gerade auch im Hinblick auf den ID. Buzz großartig gearbeitet, das Auto an den entscheidenden Stellen auf den Punkt hinbekommen. Die Gesamtkomposition ist aus meiner Sicht einzigartig, und ich glaube, das Straßenbild wird reicher durch dieses Auto.
Wo lagen Techniker und Designer am weitesten auseinander?
Klaus Szyciora: Große Themen bei der Umsetzung dieses Fahrzeugs waren die Lage der Windschutzscheibe sowie die Überlänge vorne. Den Überhang, Stoßfänger und Crashbereich maximal zu verkürzen, die Windschutzscheibe aber in die andere Richtung zu bewegen – also beide aufeinander zu bis sie fast eine Linie ergeben, war das Ziel. Herausgekommen ist der kürzeste Überhang, der je in einem Volkswagen industrialisiert wurde. Selbstverständlich besteht der Wagen dennoch jeden Crashtest und bietet hohe Sicherheit.
Dazu trägt auch die Umfeldbeobachtungs-Kamera bei, die nun aber an der Wurzel der Frontscheibe und nicht wie gewohnt oben hinter dem Rückspiegel liegt. Grund dafür ist unter anderem die Position der gegenläufigen Scheibenwischeranlage. Diesen Kompromiss mussten wir eingehen, um die Windschutzscheibe so weit nach vorne zu bekommen. Sonst hätte das Auto am Ende doch so etwas wie eine Motorhaube und nicht diese One-Box-Form bekommen. Und das wollten wir auf keinen Fall.
Die Front hat sich trotz aller Anstrengungen im Vergleich zur Studie noch verändert. Wie ist das zu erklären?
Klaus Szyciora: Die Architektur der Front ist bestimmt von Crashverhalten, Fußgängerschutz, Sensorlagen und natürlich Aerodynamik. Es müssen viele technische und vom Gesetzgeber vorgeschriebene Randbedingungen erfüllt werden. Die Designstudie war unser Urmeter, da wollten wir hin, so sollte es werden. Ohne ein solches Bild vor Augen kommst du nicht zum Ziel. Zudem hat uns die Studie in der Überzeugungsarbeit bei allen wichtigen Entscheidungsträgern im Unternehmen geholfen.
Wir haben für die Serienversion des D. Buzz das maximal Mögliche erreicht. Ich kann nur immer wieder betonen, dass ich sehr stolz bin auf die Gesamtleistung der Mannschaft. Trotz aller Vorgaben haben wir ein aufgeräumtes Design und einen flexiblen Innenraum umgesetzt.
Anders als bei der Studie gibt es keine elektrisch versenkbaren Griffe. Was ist der Grund?
Klaus Szyciora: Die Erklärung ist relativ einfach. Wir sprechen hier über Elemente, die viel Geld kosten. Wir wollten halt, dass das Fahrzeug als Volkswagen auch erschwinglich bleibt. Deshalb sind wir diesen Kompromiss eingegangen. Der Charakter des Autos wird dadurch nicht gestört und die Praktikabilität auch nicht beeinflusst. Gerade mit Blick auf die Bedienung der Schiebetür war das wichtig. Natürlich wäre es toll gewesen, das futuristisch glatt zu haben, keine Frage. Mit der jetzt gefunden Lösung kann ich aber sehr gut leben.
Gab es einen einen Punkt, den der Chefdesigner auf alle Fälle durchsetzen wollte?
Klaus Szyciora: Kosten spielen immer eine große Rolle. Darum wird immer gerungen. Das war hier nicht anders. Wirklich gekämpft habe ich um die Größe des VW-Markenemblems auf der Front. Die Ingenieure haben natürlich ins Regal gegriffen und gesagt, hier, das haben wir ja schon, das nimmst du jetzt. Das aber war für mich keine Option. An diesem Auto war eine andere Größe, eine mit Strahlkraft, notwendig. Es gab tonnenweise Argumente dagegen, vor allem ging es immer wieder um die Kosten.
„Ein kleines, günstiges VW-Logo an der Front? Nur über meine Leiche. So prangt nun ein entsprechend dimensioniertes VW Zeichen im Gesicht des ID. Buzz.“
Wenn du als Designer da einknickst, einmal das kleine VW-Zeichen darauf machst, dann ist es vorbei, das Thema durch. Ich habe mich strikt geweigert, gesagt, ‚nur über meine Leiche‘. Und so prangt nun ein entsprechend dimensioniertes VW Zeichen im Gesicht des ID. Buzz.
Was bringt denn ganz generell die E-Plattform für Vorteile bei der Entwicklung eines solchen Autos?
Klaus Szyciora: Ohne die intensive Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der Technik ist die Umsetzung eines Designs nicht möglich. Die E-Mobilität erlaubt andere Proportionen und damit andere Gestaltungsmöglichkeiten. Ein E-Motor ist halt viel kleiner als ein Verbrenner. So ein Antrieb lässt sich leicht unterbringen und wirkt sich weder störend auf die äußere Form noch den Innenraum aus. Ich meine das keinesfalls negativ, doch die Verbrennungsmaschine hat uns mehr als ein Jahrhundert die Form diktiert.
Jetzt können wir neu denken, Dinge verrücken und neu erfinden. Das führt unterm Strich zu neuen Kundenerlebnissen. Die Transformation der Fahrzeuge wird weiter fortschreiten, da wir noch in dieser Dekade autonom fahren können. Dann ist die Fahrerin oder der Fahrer nicht mehr ans Lenkrad gefesselt, ist nicht mehr an einem Arbeitsplatz, sondern mehr in einem rollenden Wohnzimmer, während es von A nach B geht. Sicherheitstechnik, Sensorik und Computingpower – all das wird die Art, wie wir reisen, sehr stark verändern. Das alles ist hochspannend und für uns Designer eine fantastische Herausforderung.
Damit sind wir bei der Zukunft und auch bei der Abschlussfrage. Wohin könnte der Weg gehen? Ist es denkbar, andere Ikonen der Marke VW wie Beetle oder Golf mit E-Antrieb und neuem Design auszustatten?
Klaus Szyciora: Wenn wir in die Zukunft blicken, sollten wir immer auch ein Blick zurück nicht vergessen. Wichtig ist, zu erkennen, welche ikonischen Produkte wir entwickelt haben, was unsere Marke groß gemacht hat und woher unsere Markenstärke kommt. Es wäre vermessen und auch ziemlich dumm, das unglaubliche Kapital dieser Marke über Bord zu werfen und zu sagen, das interessiert mich nicht mehr, was in der Vergangenheit war.
Meiner Ansicht nach ist es der richtige Weg, Dinge aus der Vergangenheit geschickt wieder aufzunehmen. Wichtig dabei ist es aber, neue Ikonen einer neuen Zeit zu erfinden. Der Golf beispielsweise hat über acht Generationen das Mobilitätsverhalten von Millionen von Menschen geprägt. Mehr Auto war nicht notwendig. Der Golf war quasi das perfekte Produkt seiner jeweiligen Zeit. Ich kann mir sehr gut vorstellen, solch ein ikonisches Design nochmal aufzunehmen. Ganz wichtig dabei ist aber, dass ein Mehrwert geboten werden muss.
Das Neue zu finden, ist ja auch beim ID.Buzz gelungen. Der Wagen ist alles anderes als ein ein plumpes Zitat der Vergangenheit. So etwas wäre bei der Reinkarnation eines Golf auf vollelektrischer Basis mit dann anderen Proportionen sicherlich auch zu leisten. Das gilt ebenso für den New Beetle. Natürlich ist das Kapitel jetzt erst einmal geschlossen und das Buch ist ins Regal gestellt. Aber das war ja eine schöne Story. Vielleicht nehmen wir das Buch irgendwann wieder raus aus dem Regal und schreiben weitere Kapitel.
„Das Spielfeld für uns Designer wird immer größer.“
Klaus Szyciora ist seit 1989 als Designer bei Volkswagen beschäftigt. Der gebürtige Hamburger hatte schon in jungen Jahren diesen Berufswunsch, den er sich nach dem Studium in Braunschweig dann erfüllte. In den ersten Jahren war er vor allem mit dem Interieur unterschiedlicher Modelle beschäftigt, darunter beispielsweise Bugatti Veyron oder auch VW Phaeton, den er selbst als so etwas wie sein Meisterstück bezeichnet. Es folgten eine Vielzahl von Showcars, unter anderem der Microbus und der Bulli, die beide nicht in Serie gingen. Auch für den Beetle sowie drei Golf-Generationen war er zuständig.
2007 stieg Klaus Szyciora, damals noch Klaus Bischoff, zum globalen Design-Chef der Marke VW auf. Seit gut eineinhalb Jahren verantwortet der 60-Jährige nun das Design des Konzerns. Dabei geht es seinen Worten zufolge darum, die einzelnen Marken zu entwickeln und gestalterisch auseinanderzuhalten. Die E-Mobilität und die Möglichkeiten, die in Zukunft das autonome Fahren bietet, sieht Szyciora dabei als größte Aufgaben. „Das Spielfeld für uns Designer wird immer größer.“