Von wegen „Wehe, wenn sie losgelassen“. Hier muss es wohl eher heißen „Schade, dass sie nicht dürfen, wie sie können“. Das jedenfalls offenbart der Blick auf den „Vision Race Service“, der in den geheimen Räumen des Porsche-Designs sein tristes Dasein fristet. Wir haben ihn ins Tageslicht gezerrt.

Es ist das erste Mal, dass Porsche ein klein wenig den Schleier lüftet und bislang geheim gehaltene Studien zeigt.  Designchef Michael Mauer hat die Tore zu den ansonsten fest verschlossenen Archiven des Porsche Design Studios in Weissach geöffnet.  In den fast zwei Jahrzehnten unter seiner Regie sind eine Vielzahl von Studien entstanden, aus denen nie ein Serienmodell geworden ist. Doch an jedem der Exemplare gibt es Details, die sich dann doch in der  einen oder anderen Baureihe wiederfinden oder in Zukunft wiederfinden werden.

Ein Bulli von Porsche? Her damit!

Das gilt auch für das aufsehenerregende Modell eines Renndienst-Fahrzeugs. Die Überlegungen und die Idee für diese Studie liegen im Prinzip weit weg von dem eigentlichen Porsche-Design, wie Michael  Mauer bekennt. Und doch gibt es Parallelen. Die hat das Team um Mauer bereits im Jahr 2018 mit einer ungewöhnlichen automobilen Vision herausgearbeitet. Es sind die klaren Flächen mit viel Spannung sowie die extrem betonten Radläufe, die sich an jedem Porsche auf der Straße wiederfinden und auf Anhieb als Merkmale der Sportwagenmarke zu erkennen sind. Erstaunlich aber, dass die Porsche Vision vom Renndienst-Van quasi zur gleichen Zeit wie der Taycan in die Tat umgesetzt worden ist.

„Ein futuristischen Raumgleiter mit allen Genen der Marke“

Mauer bezeichnet die Studie, bei der das Raumerlebnis im Vordergrund steht, als eine freie Variation des familienfreundlichen Vans. Zwar hat das Renndienst-Modell in Porsches Markengeschichte mit dem legendären VW Renndienst-Transporter so etwas wie einen Ur-Ahnen. Dem Design-Team um Mauer war allerdings klar, dass ein Großraum-Automobil von Porsche nicht als puritanisch-praktischer Bus gedacht und gestaltet werden kann. Und so steht in den geheimen Hallen von Weißach nun ein futuristischen Raumgleiter mit spannenden Proportionen sowie außergewöhnlichen Gestaltungselementen. Der Karosseriekörper mit einer sehr flachen Front ist aus einem Guss gezeichnet. In Verbindung mit der  asymmetrischen Fenstergestaltung sprengt das Modell damit sämtliche konventionelle  Kategorien.

Porsche Vision Race Service hat Einfluss auf den Taycan

Gleichwohl aber ist es gerade das Gesicht der Studie, das Auswirkungen auf die Serie genommen hat. Michael Mauer: „Bei der Entwicklung des Taycan haben wir nach und nach erkannt, dass wir bei der Gestaltung der Front noch zu nahe an der Optik von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor waren. Da hat die Studie des Race Service letztlich einen entscheidenden Anstoß gegeben, um das Gesicht des Taycan so zu zeichnen, wie es heute ist.  Im Innenraum erwartet die Passagiere dann eine äußerst komfortable und modulare Reisekabine. Der Fahrer des Porsche Vision „Renndienst“ nimmt auf einem zentralen Loungesessel Platz. Der Einzelsitz bietet ein sportliches Fahrerlebnis, gewährt den Fondpassagieren freie Sicht nach vorn. Auf der Antriebsseite setzen die Designer voll auf Elektromotoren.  Die komplette Technologie liegt platzsparend im Unterboden. Das hat ein großzügiges Raumgefühl zur Folge – wie es ja auch im ID. Buzz von VW zu erleben ist.

Studien dieser Art  sind laut Design-Chef Mauer experimentelle Visionen, die für Porsche von essenzieller Bedeutung seien. „Sie helfen dabei, Möglichkeitsräume zu erkunden und gewohnte Denkmuster und Konventionen infrage zu stellen.“ Bei Porsche sei die Kultur des Ausprobierens stark verankert. Zum Porsche-Spirit gehöre es zudem, sich auf Designdetails einzulassen. Dieses erlebe er tagtäglich bei seinen Mitarbeitern, die allesamt von den Weissach-Vibes, also der besonderen Atmosphäre im dort angesiedelten Designzentrum, infiziert seien.

Außer der Studie des Renndienst-Wagens sind in den vergangenen Jahren viele andere Modelle entstanden, die noch nie ins Licht der Öffentlichkeit gerollt sind. Das soll sich zumindest für einige der Exemplare im kommenden Jahr ändern Es ist geplant, 2021 eine kleine Auswahl aus den verschlossenen Räumen Weissachs ins Porsche Museum nach Zuffenhausen zu bringen. Dann können die Besucher dort die Visionen der Designer aus nächsten Nähe in Augenschein nehmen.