Das Angebot an Elektrofahrzeugen wächst stetig. Mit dem EQV liefert Mercedes Benz nun eine überaus reizvolle Alternative für alle, die viele Personen oder großes Gepäck über weite Strecken transportieren wollen oder müssen. Wir sind den Raumtransporter bereits gefahren.

Mit 100 kWh Akkukapazität ist der EQV absolut langstreckentauglich

Rasthof Ulm, der EQV verlangt nach frischem Strom. Während wir an der EnBW-Säule flott laden, kommt ein Tesla Model X angefahren und der Fahrer steigt aus. „Ist der vollelektrisch?“. „Ja“, lautet unsere Antwort. „Wie weit kommt der?“. Gut 300 Kilometer auf jeden Fall, mit gefühlvollem Gasfuß auch weiter“. Als sich dann noch die motorisch betriebenen Schiebetüren öffnen und den Blick auf die großzügigen Einzelsitze freigeben, kommt der Fragende ins Schwärmen. „Ich hatte schon mal eine V-Klasse, aber die gab es ja bislang nicht elektrisch. Der ist eine Überlegung wert“.

Finden wir auch, denn mit dem EQV hat Mercedes einen echten Wohlfühlvan gebaut. Der mit 100 kWh (90 kWh nutzbar) satt dimensionierte Akku erlaubt ordentliche Reichweiten. Den Antrieb an der Front übernimmt ein 150kW (204 PS) starker Elektromotor, der den mit maximal 8 Sitzplätzen ausrüstbaren Van serienmäßig auf bis zu 140 km/h beschleunigt. Optional kann man sich aber auch eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h freischalten lassen.

Über die Beschleunigung schweigen sich Pressemeldung und Website aus, doch nach einigem Stöbern ist ein Wert von 12,1 Sekunden von 0 auf 100 km/h zu finden. Klingt nicht nach viel, doch im EQV fühlt man sich nie untermotorisiert. Speziell im Sport-Modus zieht der gut 2.600 kg schwere Van ordentlich los und man fühlt sich lässig motorisiert. Das Handling ist souverän, wir durften die aktuell kürzeste Variante namens „lang“ fahren. Klingt widersprüchlich, hängt aber mit der Vergleichbarkeit mit der V-Klasse zusammenm die es auch in einer sogenannten „Kompakt“-Variante gibt. Sei’s drum, der EQV ist 5,114 m „lang“ oder wahlweise 5,37 m „extralang“.

Große Klappe – viel dahinter: Entweder Platz für acht oder reichlich Laderaum

Luxus für 6 oder Komfort für 8 Passagiere

In beiden Versionen lassen sich bis zu 6 Einzelsitze oder als Konfiguration mit zwei 3er Sitzbänken 8 Passagiere unterbringen. Die längere Version bietet dahinter noch mehr Platz für Gepäck. In der 6er Bestuhlung lassen sich unterschiedlichste Sitzvarianten realisieren, zum Beispiel mit gegenüberliegenden 2. Und 3. Reihen, was Familien auf der Urlaubsfahrt ebenso erfreuen dürfte wie alle anderen kommunikativen Menschen. Extras wie ein versetzbarer Tisch komplettieren das Reiseerlebnis, ein großes Glasdach sorgt für maximalen Ausblick.

Apropos Komfort: Optional lässt sich das Luftfahrwerk AIRMATIC ordern, dass bei hohen Geschwindigkeiten die Karosserie automatisch absenkt und auf rauem Untergrund deutlich mehr Komfort bietet. Dazu gesellen sich Annehmlichkeiten wie ein Soundsystem von Burmester. Die flexible Bestuhlung lässt sich leider nicht mit Ausstattungen wie einer Sitzheizung für die hinteren Plätze kombinieren, aber das dürfte die serienmäßige Vorklimatisierung wettmachen.

Lässige Routenplanung – lässiges Laden

Idealerweise nutzt man für seine Fahrten die Onboard-Navigation des MBUX. Dadurch hat man nicht nur Zugriff auf aktuelle Stauinformationen, sondern kommt auch in den Genus der Routenplanung inklusive der notwendigen Ladestopps. Liegt das Ziel außerhalb der elektrischen Reicheite, werden die entsprechenden Ladestationen gleich in die Routenplanung mit integriert und es gibt sogar eine Empfehlung, wie weit man den Akku wieder laden soll, um stressfrei den nächsten Ladestopp zu erreichen. Dabei berücksichtigt der Mercedes Benz EQV die Topographie der Route, aktuelle Verkehrs- und Wetterdaten und die Verfügbarkeit der Ladestationen sowie deren Geschwindigkeit. Das Ladeprogramm von Mercedes namens me Charge unterstützt mittlerweile Stationen von mehr als 300 Betreibern, darunter natürlich auch die des Ionity-Netzes. Uns hat die Routenplanung an die eingangs erwähnte Station am Rasthof Ulm geführt, wo neben den ultraschnellen Säulen von EnBW auch eine ganze Reihe an Tesla-Superchargern zur Verfügung steht, daher die weiter oben erwähnte Begegnung mit dem Tesla-Fahrer.

„Das Laden beherrscht der EQV mit bis zu 110 kW und das nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Realität“

Das Laden selbst beherrscht der Mercedes Benz EQV an DC mit bis zu 110 kW und das nicht nur auf dem Papier, sondern auch in Realität. Wir sind mit etwa 20 Prozent Akkukapazität vorgefahren und der Ladevorgang startete sofort mit beeindruckenden 106 KW. Die Ladeleistung blieb dabei sehr lange über 100 kW und war auch gegen Ende unseres Stopps, wir haben bei 90 Prozent aufgehört, noch jenseits der 80er Marke – beeindruckend. Die Identifizierung an der Säule kann dabei wahlweise über die RFID-Karte von Me Charge, die App oder sogar das Infotainment MBUX erfolgen. Wir haben die Kartenvariante gewählt und waren in wenigen Augenblicken mit Strom versorgt. An Wechselstrom, beispielsweise einer Wallbox, saugt der Mercedes mit bis zu 11 kW, auch nicht übel.

Die Reichweite und die damit verbundenen Ladevorgänge hängen natürlich immer mit dem Verbrauch zusammen. In und um Stuttgart konnten wir den EQV mit ca. 22 kW / 100 km bewegen und das trotz des ständigen Auf und Ab der hügeligen Landschaft. Auf der Autobahn waren wir bei gemäßigter Fahrt mit etwa 24 kWh unterwegs, auf der Rückfahrt von Ulm haben wir aber durchaus auch mal die Höchstgeschwindigkeit des Testfahrzeugs von 160 km/h ausgereizt. Am Ende des Tages nach etwa 350 km hatten wir einen durchschnittlichen Verbrauch von 24,5 kWh / 100 km im Bordcomputer stehen. Nicht schlecht für so viel Auto. Wer sich vorwiegend in der Ebene bewegt oder gar in der Stadt die Rekuperation ausreizen kann, dürfte noch weit bessere Werte erzielen.

Apropos Rekuperation: Diese kann man mit den Lenkradwippen in vier Stufen variieren. In der höchsten genießt man fast ein One-Pedal-Driving, in der niedrigsten erinnert das Verhalten an einen Verbrenner. Wer sich keine Gedanken machen möchte, wählt durch einen längeren Zug an einer der beiden Wippen den Automatikmodus, der sich nicht nur an vorausfahrenden Fahrzeugen orientiert, sondern auch die Streckenplanung bzw. Verkehrszeichen mit einbezieht. So wird zum Beispiel vor einem Ortseingang vorausschauen rekuperiert und damit gebremst.

Zeitgemäß: Als Infotainment kommt das brandaktuelle MBUX von Mercedes zum Einsatz

Gelungene Alternative

Mit dem EQV hat Mercedes ein sehr gelungenes Fahrzeug abgeliefert. Nicht nur in der noch dünn besiedelten Klasse der Vans, sondern als Elektroauto überhaupt. Der aufgrund des Raumkonzeptes unschlagbar hohe Alltagsnutzen geht hier mit ordentlicher Reichweite einher. Dazu kommt die dezente Dosis Luxus, die den Mercedes Benz EQV von der elektrischen Verwandtschaft wie dem e-Vito unterscheidet. All das hat natürlich seinen Preis, mit knapp 70.000 Euro ist dieser allerdings nicht so hoch, wie man annehmen sollte. Wer ernsthaft den Konfigurator bemüht, kann aber auch leicht 80.000 Euro und mehr erzielen.

Infos:

Fahrzeugkategorie:                Vam

Typ:                                        batterieelektrisch

Antrieb:                                  Frontantrieb elektrisch

                                               Elektromotor 150 kW

Technik/Kapazität:                 Li-Io, 100 kWh

Reichweite / Ladegeschwindigkeit

Reichweite (WLTP):                363 km

Ladeleistung AC:                    11 kW

Ladezeit AC auf 100%:           600 min

Ladeleistung DC:                    110 kW

Ladezeit DC 20 auf 80%:        ca. 40 min

Performance

Höchstgeschwindigkeit:         140 bzw. 160 km/h

Beschleunigung

0-60 km/h                              –

0-100 km/h:                           12,1 s

Verbrauch WLTP:                   27,6 kWh/100 km

Verbrauch im Test

gemischt:                    24,5 kWh/100 km

Technische Daten

Abmessungen:                       5140 x 1928 x 1901 mm

Leergewicht / Zuladung:        2635 kg / 940 kg

Kaufpreis inkl. Akku:              ab 69.588 Euro