Marktwirtschaft funktioniert nicht immer. Erst recht nicht, wenn es darum geht, einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Zu diesem Schluss kommt das Bundesverkehrsministerium mit der Nationalen Leitstelle Infrastruktur NOW – und schreibt ein bundeseigenes Ladeinfrastruktur Netz von 1.000 Schnellladeparks aus.
Es ist eine veritable Klatsche, die da von ganz oben an die verschiedenen Player auf dem Markt der Elektromobilität verteilt wird. Und dass diese Klatsche kein ideologisches Geschwätz ist, sondern verdientermaßen „erarbeitet“ wurde, kann jeder bestätigen, der mit einem Elektrofahrzeug unterwegs ist: Ein löchriges Netz wird in aller Regel begleitet von ewigen Ladezeiten, manchmal, aber immer noch zu oft, unzuverlässigen Datenverbindungen und einem Tarifdschungel, bei dem die Brandrodung im Zweifel der Machete vorzuziehen ist.
Lernfähig
Man könnte jetzt boshaft sein und die große „Wir-haben’s-ja-schon-länger-gesagt“-Keule schwingen oder sich über die Wiederentdeckung der Lernfähigkeit von Politikern auslassen. Aber dazu ist diese Mitteilung zu gut für das Thema Elektromobilität. Im Gegenteil: Wenn diese „HPC-LIS“ (High Power Charging LadeInfraStruktur) steht, hat niemand mehr eine Ausrede, keine wirklich schnell ladenden Autos zu entwickeln und anzubieten oder sich eines davon zuzulegen – wenn sie denn in einem bezahlbaren Rahmen erhältlich sind. Denn das wichtigste ist dann gesichert: die zügige, überall in sinnvoller Entfernung verfügbare Versorgung mit „Treibstoff“.
Sicherheitsmaßnahmen
Von klaren Fristen und hohen Qualitätsstandards ist in dem ankündigenden Papier der NOW GmbH, einer hundertprozentigen Tochter des Bundes, die Rede. Hohe Verfügbarkeiten rund um die Uhr sind ebenso ins Lastenheft geschrieben wie die sinnvolle, flächendeckende Verteilung der Ladeinfrastruktur. Pro Ladepunkt sollen mindestens 150 kW zur Verfügung stehen, die zu marktüblichen Preisen angeboten werden müssen. Darüber hinaus will man durch die Vergabe der Ausschreibung an mehrere Betreiber für einen gesunden Wettbewerb auf dem Markt sorgen.
Der Bund will durch mehrere Maßnahmen dafür Sorge tragen, dass sich der Betrieb der Ladeparks auch rechnet: Zum einen sollen weniger lukrative Standorte mit hochfrequentierten Lagen in Losen gebündelt werden, zum anderen will er für etwaige Lücken beim Umsatz in die Bresche springen.
Hoffen wir mal, dass die Planung von Sicherungsmaßnahmen nicht durch irgendwelche Lobbyisten aus dem endgültigen Text der Verträge herausgeschrieben werden.
Der Weg zum Ziel: etwas Geduld
Zugegeben: Diese Nachricht bedeutet nicht, dass jetzt innerhalb weniger Wochen tausende von Ladepunkten in Deutschland hochpoppen. Allein für die Ausschreibung, die Suche nach den Standorten und die Auswahl der verschiedenen Betreiber wird noch mindestens ein Jahr ins Land gehen. Und dann müssen die Ladeparks, auf denen auch mal mehrere Dutzend Ladepunkte zur Verfügung stehen sollen, wenn möglich und nötig, auch in mehreren Ausbaustufen, auch noch aufgebaut werden. Dazu ist vorstellbar – und sicherlich auch marktwirtschaftlich attraktiv –, dass die Ladeparks auch gleich mit Dienstleistungen verknüpft werden. Überdachungen, Toiletten, Restaurationsbetriebe, Einkaufsmöglichkeiten, Laderobotik – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Schon im Infopapier ist daher von einem Zeitraum dieser ersten Phase bis 2030 die Rede. Anschließend will der Bund dafür Sorge tragen, dass die Lademöglichkeiten auch weiterhin zu nutzerfreundlichen Bedingungen verfügbar bleiben.
Die Bestandsaufnahme im Wortlaut
Die inzwischen mehrjährigen Förderprogramme zum Aufbau einer Ladeinfrastruktur (LIS) für E-Fahrzeuge sind alleine nicht geeignet um den Aufbau schnell, verlässlich, bedarfsgerecht, flächendeckend und verbraucherfreundlich zu gewährleisten:
– Förderprogramme bieten keine genügende Garantie für den (ausreichenden) Aufbau und dauerhaften Betrieb von LIS; trotz Fördervorgaben und Mindeststandards der Ladesäulenverordnung ist der Kunde mit Insellösungen, hoher Unzuverlässigkeit, uneinheitlichen Informationen und zahlreichen unterschiedlichen Nutzerschnittstellen konfrontiert.
– Schnellladepunkte mit hoher Leistung gibt es bislang (mit Blick auf künftig verfügbare Fahrzeuge und die angestrebte Mittel-/Langstreckennutzung) deutlich zu wenig. Weniger als 2% aller Ladepunkte (LP) haben eine Ladeleistung von mindestens 100 kW (OBELIS 1,89%, BNetzA 1,56%). (Anmerkung der Redaktion: Wenn man 50 kW als „brauchbare“ Grenze zieht, bleibt dieser Wert je nach Quelle immer noch mehr oder weniger weit unter 25-30 Prozent.)
– Für den erfolgreichen Markthochlauf von E-Fahrzeugen bedarf es aber einer (vorausschauend und skalierbar) bedarfsgerechten, bundesweit flächendeckenden und nutzerfreundlichen LIS (kein Rosinenpicken)
Infopapier zur Ausschreibung, erhältlich bei der NOW GmbH
www.now-gmbh.de