Der GV 60 ist noch ganz frisch auf dem deutschen Markt, dennoch hatten wir schon die Gelegenheit, ihn für unser Langstrecken-Testformat ED 1000 über große Distanzen zu bewegen. Zusammengefasst: Ein Auto mit ganz viel Kraft und nur wenigen Schwächen.
Die GMP-Plattform des Hyundai-Konzerns, zu dem eben auch Genesis gehört, hat sich schon bei den anderen Derivaten (IONIQ 6 und Kia EV6) bestens bewährt. Umso spannender ist es, herauszufinden, was den Dritten im Bunde, den Genesis GV 60 besonders macht.
Da ist natürlich zum einen die Optik. Trotz identischer Plattform wahrt sich der GV 60 ein sehr eigenes Gesicht und nicht nur das. Die komplette Linie des Crossover strahlt Sportlichkeit aus, vor allem aber ist er eine gänzlich unbekannte Größe. Wenn wir in der Redaktion den Wow-Faktor eines Fahrzeugs ermitteln wollen, drehen wir ein paar Runden über die Düsseldorfer Königsallee. Bevorzugt Freitag Abend oder Samstag, denn dann stehen dort auch die Car Spotter Spalier, deren übliche Beute allerdings eher echte Sportwagen sind. Unser Genesis erregt definitiv Aufmerksamkeit, was allerdings auch an seinem „dezenten“ Farbton, einem unübersehbaren gelb liegen kann. Die Car Spotter schauen, aber der Reflex reicht nicht, um die Kamera hochzureißen und Bilder zu machen. Interessant. Dabei könnte der Genesis mit einem Großteil der um ihn herum posierenden Gefährte mehr als mithalten. Der Spurt auf die 100er-Marke wäre in vier Sekunden absolviert, wenn man das denn wollte.
Das nicht so auf V8-gegrummel fixierte „normale“ Kö-Publikum ist da schon viel aufgeschlossener. Besonders, wenn wir an einer der Ampeln eine Pole-Position haben, kann man geradezu von den Lippen ablesen, dass hier gerätselt wird, um welche Marke es sich handelt. Wir würden ja für Aufklärung sorgen, doch die Grünphase unterminiert dieses Anliegen. Weiter geht’s.
Luxus und Licht im Innenraum
Das Innenraumdesign ist den Koreanern sehr gelungen. Der Mix aus modern Materialien, vielen runden Formen bei gleichzeitig viel sichtbarer Technik ist ausgesprochen stimmig. Die Sitze sind in unserer Variante mit einer markanten Struktur versehen und überhaupt eines der Highlights, schließlich verbringt man hier sehr viel Zeit. Sie bieten nicht nur ausreichende Verstellmöglichkeiten und in unserer Version auch Annehmlichkeiten wie Sitzheizung und Sitzlüftung, sondern bei längeren Fahrten aktivieren sich automatisch Programme zur Unterstützung des Rückens und der Sitzkomforts. Angenehm.
Sehr komfortabel ist die Möglichkeit, den Beifahrersitz durch Tasten in der Lehne auch von der Fahrerposition aus nach vorne und hinten bewegen zu können, sowie die Lehnenneigung zu variieren und diese sogar mit einer Taste in Liegeposition zu bringen.
Noch mehr Innenraumdetails: Statt eines typischen Handschuhfachs erwartet uns eine Schublade, in der man mutmaßlich besser Ordnung halten kann. Sie bietet Platz für die üblichen Anleitungen und Accessoires aber auch Notebooks oder vielleicht mal ein paar Tablets sind hier sicherlich gut untergebracht.
Das Infotainmentsystem ist absolut zeitgemäß mit einem großformatigen Screen und einem digitalen Fahrer-Display gleicher Größe mit sehr gut gemachten Visualisierungen und Animationen. CarPlay und Android Auto gehört natürlich dazu. Zwei USB-C-Anschlüsse in der Mittelkonsole von denen einer für Medien dient versorgen die Devices der Fahrer. Dazu kommt eine klassische 12 V Steckdose mit 180 W Leistung. Den Passagieren auf der Rückbank stehen ebenfalls zwei USB C Anschlüsse zur Verfügung – das garantiert Seelenfrieden auf langen Trips.
Ein bisschen meckern wollen wir auch: Die Ablagen in den Türtaschen sind für Kleinkram sehr gut geeignet. Große Flaschen kriegt man hier allerdings nicht unter. Dafür gibt es gleich zwei Cupholder in der großzügigen Mittelkonsole. Diese dominiert ansonsten der mysteriöse Glasball, der sich beim Drücken des Startknopfes motorisch umdreht und den Wahlschalter für die Fahrprogramme freigibt – ein schönes Schauspiel. Das ist allerdings auch die einzige Spielerei, die sich Genesis leistet, denn im Alltag lernt man schnell die Hardkeys für die wesentlichen Funktionen zu schätzen. Man muss also nur in Ausnahmefällen auf dem Bildschirm herumfummeln, selbst die Menüführung in CarPlay oder ähnlichen Diensten ist über das großformatige Drehrad möglich was sehr angenehm ist.
Der Genesis bietet auch einen eigenen Sprachassistenten, den wir vor allem zur Navigation benutzt haben. Die Erkennung von Adressen ist ausgezeichnet und präzise, alle Ziele wurden im ersten Versuch erkannt. Die Navigation selbst ist ordentlich, die Ladeplanung auf Langstrecken allerdings etwas verbesserungswürdig. Mehr dazu weiter unten.
Was für ein Antrieb
Genug über Ex- und Interieur gesprochen. Wenden wir uns dem essenziellen Bestandteil eines jeden Automobils zu, dem Antrieb. In unserem Testwagen, dem GV60 in der Variante Sport Plus arbeiten gleich zwei Elektromotoren mit jeweils 180 kW. Das ergibt nicht nur rechnerisch satte 360kW Gesamtleistung, denen man durch den Boost Modus nochmals weitere 20 kW hinzufügen kann, wenn auch jeweils nur für 10 Sekunden. Das geht jederzeit während der Fahrt, indem man die Boost-Taste am Lenkrad betätigt. Im Fahrerdisplay erscheint dann ein Countdown bis zum Ende der Verfügbarkeit. Im Alltag kann man so extrem lässig einen Überholvorgang absolvieren, auch wenn dafür zugegebenermaßen die serienmäßigen 360 kW ausreichen. Mit Boost kickt es aber einfach nochmals mehr. Will man die Mehrleistung aus dem Stand einsetzen, geht auch das, dann zählt der Timer sogar in der Tat erst ab dem Beschleunigungsvorgang runter. Bis auf 100 km/h hat er übrigens nicht viel Arbeit, denn diese Marke ist bereits nach vier Sekunden erreicht. Bei den Drive Modi man hat die Wahl zwischen Eco, Komfort und Sport. Alle sind sehr gut abgestimmt, speziell im Sportmodus hängt der Genesis beeindruckend gut am Fahrpedal
„Ein Sparmobil ist der Genesis nicht, dafür ein echtes Spaßmobil.“
Das Ende der Fahnenstange ist bei 235 km/h erreicht. Mehr als genug, um auch flotte Autobahnpassagen zu meistern. Leider auch mehr als genug, um dem Akku förmlich bei der Entladung zuschauen zu können. Dosiert man den Strom nur moderat, ist der GV 60 hingegen mit erträglichen Verbräuchen unterwegs. Bei konstant 100 km/h ergab sich bei schönem Sommerwetter ein Verbrauch von 18,6 kWh/100 km, bei 120 km/h waren es dann schon gut 24 kWh und bei 140 Sachen 29,6 kWh. Ein Sparmobil ist der Genesis also nicht, dafür ein echtes Spaßmobil.
Das Fahrwerk fühlt sich jeder Situation gewachsen an und vermittelt eine traumhafte Sicherheit. Die in vier Stufen wählbare Rekuperation sorgt dafür, dass sich diese Souveränität auch auf den Umgang mit dem Fahrpedal auswirkt. In der Stadt kontrolliert man das ständige Stop and Go ganz locker mit dem Gasfuß. Auf der Autobahn kann man den Koreaner in der niedrigsten Stufe lässig gleiten lassen.
Lässiges Laden
Dank seiner 800 Volt-Technik bietet der Genesis bestechend gute Werte beim Laden. Der Weg zur nächsten Säule ist auch mit wenigen Fingertipps berechnet und aktiviert, anders sieht die Sache bei der Langstreckenplanung aus. Die am weitesten entfernten Lade Station auf der Route sind noch unter 200 km entfernt, sodass man sie nicht wirklich für eine Langstreckenplanung nutzen kann. Hier muss man dann entweder im Laufe der Fahrt also später den Planungsvorgang starten oder man greift auf andere Apps zum Beispiel über Apple CarPlay zu. Dann allerdings kommt man (noch) nicht in den Genuss der Vorkonditionierung, was vor allem im Winter Zeit kosten könnte.
An HPC-Ladern konnten wir Leistungen bis zu 235 kW erzielen, dann fällt nach einiger Zeit der Wert auf rund 180-185 kW ab um sich dann ab der 80 % Marke bei 130 kW einzupegeln. Gemittelt landet man also bei geplanten Lade Stopps bei Werten um die 180-190 kW. Im Menü lässt sich das Vorkonditionieren der Akkus einschalten. Angesichts der warmen Außentemperaturen zu unserem Testzeitpunkt ist allerdings nicht ganz klar, ob das einen Vorteil gebracht beziehungsweise ob es funktioniert hat.
Fazit
Mit dem GV 60 liefert Genesis ein beeindruckend ausgereiftes Elektroauto ab. In der Variante Sport Plus bietet der Koreaner echte Sportwagenleistungen und jede Menge Fahrspaß. Zudem kann man Ausstattung und Assistenzsysteme in Hülle und Fülle genießen und so alle Facetten moderner Mobilität erfahren. Verbrauchsrekorde wird man mit dieser Variante hingegen eher weniger einfahren, da empfiehlt sich dann vielleicht ein Blick auf die Version ohne „Plus“, die immer noch mit mehr als ausreichend Leistung gesegnet ist.