Es gibt Situationen, in denen Fakten und technische Daten nicht mehr ganz so wichtig sind, wie es einem immer weisgemacht werden soll. Oder wie man es sich selbst immer einredet. Fahrer von Enten, Käfern oder Minis dieser Welt werden es kennen: Sie wollen allen Haken und Ösen zum Trotz nichts anderes. Für Jens Stratmann gehört Oras Funky Cat in diese Kategorie.

Oh, Du glorreiche Zukunft der Mobilität, Du wunderbare Welt der Elektroautos! Wir haben uns tief in die Welt der vier Räder gestürzt und sind mit dem Ora Funky Cat 400 Pro+ über 2.500 Kilometer durch Städte, über Land und die Autobahn gedüst. Und wenn wir eines gelernt haben, dann ist es dieses: Die Frage, ob Ladeleistung wirklich so wichtig ist, ist etwa so komplex wie die Frage, ob man ohne Koffein in den Tag starten kann. Die Antwort ist natürlich: Das kommt darauf an. Wir werfen einen ganz sicherlich nicht bierernsten Blick auf unsere Erfahrungen mit dem Ora Funky Cat.

2.500 Kilometer im Ora Funky Cat

Wer sagt eigentlich, dass Autos keinen Humor haben können? Der Ora Funky Cat 400 Pro+ beweist, dass eine Katze auf Rädern für ein Lächeln sorgen kann. Ob im morgendlichen Berufsverkehr oder auf der Autobahn – der Ora Funky Cat verdreht Köpfe und lässt Mundwinkel nach oben schnellen. Hinterm Volant schmunzelt man über die immer noch sehr chinesische Interpretation einer guten Sprachbedienung – immerhin kann man das Aktivierungswort nun selbst auswählen. Oder aber auch einfach à la Peter Lustig: abschalten! Lerneffekt 1: Wir empfehlen, keine Aktivierungswörter zu nutzen, die im alltäglichen Sprachgebrauch vorkommen.

Wir haben den Funky Cat sowohl im Alltag als auch auf der Langstrecke getestet und festgestellt: Dieses Kätzchen hat mehr als nur ein Leben. Es hat Ausdauer, es bietet ausreichend Platz für bis zu vier Personen und etwas Gepäck und – Achtung, Wortspiel – es hat die nötige „Katzenstärke“. Aber was ist mit der Ladeleistung?

Kaffee für das Elektroauto: die Ladeleistung

Der morgendliche Kaffee. Man kann ohne ihn auskommen, aber er macht das Leben so viel einfacher und angenehmer. Stellt Euch vor, Ihr könntet ihn in nur 5 Minuten brühen statt in 15. Wäre das nicht großartig? Genauso ist es mit der Ladeleistung: Ein Fahrzeug mit hoher Ladeleistung kann seine Batterien in der Theorie schneller aufladen, was bedeutet, dass ihr weniger Zeit an der Ladesäule verbringt und mehr Zeit auf der Straße habt.

Doch die Ladeleistung ist nicht der einzige Faktor, die Frage ist ja auch – wie lange hält das Fahrzeug die Peak-Ladeleistung? Die Höchstladeleistung gibt ORA mit – vergleichsweise dürftigen – 64 kW an und hält diesen Wert auch bis ca. 70 % State of Charge recht stabil. Sprich: Von 20-80 Prozent State of Charge vergehen ca. 40 Minuten, ein BMW iX3 an der Ladesäule neben uns war „nur“ 10 Minuten schneller, spielt aber nicht nur preislich betrachtet (Akkugröße, maximale Ladeleistung) in einer komplett anderen Liga.

Im Alltag – wenn man das Fahrzeug hauptsächlich für kurze Fahrten in der Stadt nutzt und es über Nacht zu Hause aufladen kann – ist die Ladeleistung möglicherweise nicht so wichtig. Es ist wie der Morgenkaffee zu Hause: Es spielt keine Rolle, wie lange er braut, solange er bereit ist, wenn man aufsteht.

Eine Katze geht auf Tour

Hier kommt die Peak-Ladeleistung ins Spiel. Will oder muss man lange Strecken zurücklegen und somit unterwegs aufladen, dann kann eine hohe Ladeleistung von Vorteil sein. Es ist wie der Kaffee auf einer langen Autofahrt: Man möchte nicht anhalten und vierzig Minuten auf den Kaffee warten, man möchte ihn schnell und heiß trinken und dann wieder auf der Straße sein.

Auch hier kommt noch ein anderer Punkt ins Spiel: der Verbrauch.Es war uns während unserer Testfahrten ein großes Fest, unsere eigenen Verbrauchswerte zu unterbieten. Bielefeld-Düsseldorf-Bielefeld – insgesamt fast 370 km – das hätte spielend mit einer Akkuladung funktioniert: Innerstädtisch sind locker über 420 Kilometer möglich, und das lässt sich bei gemäßigter Geschwindigkeit auch auf der Langstrecke realsieren.

Komplett aufgeladen ging es für uns los von Bielefeld in Richtung Bayern, und wir konnten die Empfehlung von „Abetterrouteplaner“ und Co. komplett ignorieren, denn wir waren bei durchschnittlichen 80 km/h viel sparsamer unterwegs. So schafften wir im Hypermiling-Versuch eine Distanz von 600 Kilometern mit nur einem Ladestop und hatten später sogar noch genügend Strom im Akku, um noch weiterzufahren.

Steht er, lädt er

So etwas lässt sich auf der Langstrecke nicht immer realisieren, und so ging es am nächsten Morgen mit einem SOC von 11 % auf die Suche nach der Ladesäule. Wir waren also im Allgäu – eigentlich ein einfaches Unterfangen, wenn die Säule mitspielt und die Zufahrt an einem Sonntag nicht von einer Schranke versperrt wird. Dafür kann der Ora Funky Cat aber nichts, auch nicht dafür, dass die erste Ladesäule nicht mit unserer Maingau-Ladekarte kommunizieren wollte, und auch mit einer Alternativ-Karte wollte sie nicht „reden“ – lasset die Kartenspiele beginnen. Die nächste Ladesäule befand sich dann auf einem Baumarkt-Parkplatz. Ärgerlichweise ist diese Ladesäule sonntags nicht zu erreichen, der Parkplatz wird abgesperrt.

Mit einem SoC von 9 % und einer immer noch respektablen Reichweite von 48 Kilometern fuhren wir die dritte Lademöglichkeit an und verbrachten den Sonntagmorgen auf dem Gelände eines Autohauses. Waren die früher nicht auch mal sonntags geöffnet? Schautag? Die Zeiten sind wohl vorbei, aber nach knapp 50 Minuten war der Akku von 9 auf 80 Prozent State of Charge geladen, in denen wir im Auto die Vorzüge der Klimatisierung oder der Sitzmassage genießen genießen konnten. Lerneffekt 2 während der ausgibigen Probefahrt: Der Ora Funky Cat bietet manche Annehmlichkeit, die andere Fahrzeughersteller für die Klasse kategorisch ausschließen. Leider treiben diese auch den Preis in die Höhe, da man sie nicht abwählen kann.

Allroundkatze

Was den Ora Funky Cat 400 Pro+ betrifft, so können wir sagen: Dieses Kätzchen hat uns überzeugt. Es hat gezeigt, dass es sowohl im Alltag als auch auf der Langstrecke glänzen kann und dass es sich nicht scheut, seine Krallen auszufahren, wenn es mal etwas flotter um die Kurve gehen soll. Das Fahrverhalten war ansprechend, die Assistenzsysteme funktionierten tadellos, der Sprachassistent nervte uns dann allerdings so, dass wir ihn deaktiviert hatten. Überzeugt hat uns das LED-Licht, denn es leuchtet die Fahrbahn sehr gut aus. In der IMO-Waschanlage mussten wir keine Angst haben, dass die automatische Heckklappe sich von Geisterhand selber öffnet: Die reagiert sonst nämlich auf ungefähr alles mit einer Auf- oder Zu-Bewegung: Tastendruck, Schlüssel, Fußkick oder auch Sprachsteuerung.

Sparkatze

Bei den Verbrauchswerten wird es spannend, und und in diesem Zusammenhang gab es zum ersten Mal ein kleines Problem: Man kann im Ora Funky Cat mit dem derzeitigen Software-Stand die Verbrauchsanzeige nicht resetten. Zur Verbrauchsermittlung sind wir somit Testrunden gefahren und haben anschließend an der Schnellladesäule wieder bis auf 100 % State of Charge geladen, um die Ladeverluste zu minimieren. Wir geben hier also die Werte von der Ladesäule an.

Bei durchschnittlichen 80 km/h verbrauchte der Ora Funky Cat 400 PRO+ 14,7 kWh/100 km, bei 100 km/h waren es bereits 16,9 kWh/100 km, und bei 120 km/h stieg der Verbrauch auf 19,3 kWh/100 km an. Der WLTP-Wert wird mit 16,5 kWh/100 km angegeben, und diesen kann man also durchaus realisieren. Innerstädtisch und über die Landstraße sind sogar noch geringere Verbrauchswerte möglich, und wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir die Klimaanlage und teilweise auch die Sitzheizung aktiviert hatten, da wir bei den Testrunden auf keine Annehmlichkeiten verzichten möchten. Auf unserer Langstrecken-Reise erzielte die Funk-Katze auf 1.500 Kilometern einen kombinierten Verbrauchswert von 15,5 kWh/100 km – das kann sich durchaus sehen lassen.

Katzenkratzer

Neben der fehlenden Gurthöhenverstellung und der Tatsache, dass der Beifahrersitz sich nicht in der Höhe verstellen lässt, ist uns auf der Langstrecke negativ aufgestoßen, dass man keine größeren Flaschen in die Türtaschen bekommt. Zwei große Getränkebecher (0,4 oder 0,5 Liter) bringen die Getränkehalterung bereits an die Grenzen der Praktikabilität.

Ansonsten ist der Ora Funky Cat in Sachen Fahrverhalten ein richtig gutes Auto. Die Lenkung ist eine gute Kombi aus Direktheit und Kontrolle. Die Rekuperation lässt sich in drei Stufen bis zum One-Pedal-Driving einstellen, und wer mag, kann auch die ein oder andere Kurve etwas sportlicher nehmen. Wer es hinterm Lenkrad allerdings übertreibt, der lässt das Kätzchen über die Vorderachse schieben, verursacht aber nichts, was irgendwie gefährlich wäre. Das Fahrwerk präsentiert sich komfortabel, und der Ora Funky Cat zeigt sich gut gedämmt – so lässt sich das Soundsystem noch besser genießen. Was uns noch fehlt zum absoluten Glück? Apple CarPlay, Android Auto und ein Software-Update, denn da kommen uns einige Sachen immer noch sehr spanisch bzw. chinesisch vor.

Fazit: Ist die Ladeleistung wichtig?

Lerneffekt 3: Die Antwort ist, wie es schon zu ahnen ist, ein klares „Jein“. Die notwendige oder präferierte Ladeleistung hängt stark von dem eigenen Fahrstil und der Nutzung ab. Wer hauptsächlich kurze Strecken fährt und das Fahrzeug über Nacht oder beim Arbeitgeber aufladen kann, wird eine hohe Ladeleistung vielleicht nicht für so wichtig erachten. Wer aber regelmäßig lange Strecken zurücklegen möchte oder muss, sollte ein Elektrofahrzeug mit einer hohen Ladeleistung wählen, damit man die Ladezeiten minimieren kann. Wer maximal Strecken mit einer Länge von 600 Kilometer fahren muss, der kommt auch in einem Ora Funk Cat mit einem Ladestop (oder sogar ohne) aus – und den kann und sollte man ja nutzen, um sich zu stärken. Oder man braucht ihn selbst, bevor die Katze danach schreit, um auch mal die Nassräume aufzusuchen. Gibt es eigentlich schon ein Sammel-Album für Sanifair-Bons, die man vergessen hat, wieder einzulösen?