Alles verlangt nach bezahlbaren Elektroautos. Doch was genau bedeutet „bezahlbar“? Bei KIA ist es ganz offensichtlich das neue Nesthäkchen namens EV3, denn dieser definiert den vollelektrischen Einstieg in die Marke. Wir haben gleich zwei Versionen genauer unter die Lupe genommen, quasi die Basis mit dem 58 kWh fassenden Akku sowie die Variante mit gut 81 kWh. Wie schlagen sich die KIAs im Alltag?

Beginnen wir mit dem Elefanten im Raum: dem Preis. Der ist ja beim einen oder anderen Hersteller oft nur politisch niedrig, dafür fehlen dann essenzielle Funktionen. Der KIA EV3 startet in der Variante namens „Air“ bei 35.990 Euro. Dafür bekommt man natürlich „nur“ den kleinen Akku, aber sonst schon eine ganze Menge. Beispielsweise das ausgewachsene Infotainment-Display, eine Rückfahrkamera, die Möglichkeit zur Batterievorwärmung oder auch einen einfachen Tempomat. An AC lädt der EV3 auch in dieser Version schon mit 11 kW und verzichten bzw. optional bezahlen muss man Annehmlichkeiten wie Sitz- und Lenkradheizung sowie die Wärmepumpe. Alles drei kostet als Paket faire 1.000 Euro Aufpreis.

Noch einen Tausender parat? Dann gibt es elektrische Außenspiegel und sinnvolle Assistenzsysteme wie Totwinkel- und Kollisionswarner und den sehr guten Autobahnassistenten. Mehr Optionen hat man außer der Außenfarbe in der Basisversion dann auch nicht. Warum wir das so aufzählen? Um zu zeigen, dass der EV3 auch in der Basisvariante schon ein wirklich „fahrbares“ Auto ist.

Die Ausstattungsvariante „Earth“ für 38.290 Euro hat bereits einige der Optionen an Bord und bietet zudem mehr Optionen, um das schicke EV zu „pimpen“. Die große Batterie gibt es als „Air“ für 41.390 Euro, die Ausstattungen verhalten sich hier gleich. Die GT-Line schließlich gibt es nur mit dem großen Akku und dann ab 48.690 Euro. Hier ist dann schon so ziemlich alles an Bord, nur Annehmlichkeiten wie die Sitzheizung hinten, Sitzventilation vorne oder ein Glasdach lassen sich hier noch hinzufügen. Hat man alle Häkchen gesetzt und für weitere 1.600 Euro noch Mattsilber als Farbe ausgewählt, landet man bei 53.760 Euro. So, jetzt genug der Preisdiskussion.

Das Design

Der EV3 ist ein Hingucker, weil er sich formal vom aktuellen Mainstream deutlich abhebt. Die klare Kante beim Design gefällt nicht jedem, aber bei denjenigen, die ein Faible für den intellektuellen Look und die klaren Familiengene des großen Bruders EV9 haben, dürften hier begeistert reagieren. Die schicke Lichtsignatur tut ein übriges dazu, und so kann man über den Look zwar geteilter Meinung sein. In der Redaktion war das Feedback jedoch überwiegend positiv.

Der Innenraum

Der Innenraum ist großzügig gestaltet, und das ist nicht nur eine Floskel. Der Verzicht auf einen durchgehenden Mitteltunnel sorgt für ansprechend viel Beinfreiheit. Wo man bei anderen Autos schnell mal mit dem rechten Bein gegen Kunststoff ankämpft, ist hier durch die unten positionierte Ablage für Smartphone, Getränke und diversen Kleinkram endlich mal ausreichend Platz. Im Gegenzug muss man eben etwas tiefer greifen, wenn man seine Getränkedose oder den Stanley Mug greifen möchte.

Die induktive Ladeschale für Smartphones erfüllt ihren Zweck auch bei Telefonen mit großem Kamera-Bump, also vorstehenden Optiken. Dazu gibt es zwei USB-C-Ports vorne und zwei weitere für die hinteren Sitze. Für – wenn bestellt – Sitzheizung und die Lenkrad-Temperierung gibt es noch echte Tasten in den Türen mit einer schönen drei- bzw. zweistufigen Regelung und LEDs zur Kontrolle. Das ausziehbare „Frühstücksbrettchen“ in der Armlehne ist ein nettes Detail, falls man zum Beispiel während einer Ladepause wirklich mal etwas zu essen oder vielleicht ein Tablett hier abstellen möchte.

Die Sitze sind überaus bequem, auch auf langen Strecken. Als optionale Ausstattung sind sie zudem elektrisch verstellbar und auch mit zwei Speichern für Sitzpositionen unterschiedlicher Fahrer erhältlich. Das Ambientelicht der höheren Ausstattungen lässt sich wahlweise oben und unten, also in den Türtaschen, in gleichen oder auch unterschiedlichen Farben einstellen. Wem die vorgegebenen Farben nicht reichen, der kann beides auch individuell einstellen – passend zur Laune oder auch Kleidung.

Infotainment und App

Zum Infotainment darf vermerkt werden, dass das optionale Audiosystem von harman/kardon ausgesprochen gut klingt, zumal es im KIA ja ausgesprochen leise zugeht. Apple CarPlay und Android Auto sind schon in der Basis dabei. Die gute KIA-Navigation kümmert sich, wenn gewünscht, auch um die Ladeplanung auf längeren Strecken. Die eingeplanten Ladestationen werden dann automatisch in die Routenplanung integriert – fertig.

Wirklich brillant ist die zugehörige App, mit der man eines oder auch mehrere KIA-Fahrzeuge verwalten und vor allem auch bedienen kann. Neben dem Ent- und Verriegeln der Türen kann man hier die Vorklimatisierung mit einem Tastendruck starten oder eben auch einen Zeitplan dafür erstellen. Neben der Heizung bzw. Klimaanlage kann man dabei gleich auch die Sitze und das Lenkrad temperieren, besser geht es im Winter einfach nicht. Auch die Akkuvorkonditionierung lässt sich in der App starten. Das ist hilfreich, wenn man nach dem Losfahren gleich an eine Ladesäule möchte. Und klar, man kann diverse Verbrauchsdetails einsehen und sogar schon Navigationsziele ans Auto senden, ganz lässig beim morgendlichen Kaffee.

Antrieb, Ladeleistung und Verbrauch

Wenn es dann perfekt vortemperiert losgeht, zieht in beiden Akkuvarianten ein 150 kW starker Motor an der Vorderachse. Das ist mehr als ausreichend, um sich gut motorisiert zu fühlen, auch ohne dass man in den Sport-Modus wechselt. Ist dieser per Taste am Lenkrad aktiviert, geht es nochmals flotter voran. In nackten Zahlen bedeutet das, dass der EV3 in knapp acht Sekunden auf die 100 km/h Marke spurtet, mit der kleinen Batterie sogar ein paar Zehntel schneller. Elektronisch abgeregelt sind beide Versionen bei 170 km/h.

Geladen wird dann an DC bei der kleineren Batterie mit rund 100 kW, mit dem größeren Akku sind es knapp 130 kW. Reicht das im Alltag? Wir meinen, dass es das voll und ganz tut, denn beide Varianten sind dank Batterieheizung in optimaler Ladelaune, und die Ladekurven sind ausgesprochen stabil. In der typischen halben Stunde ist der Akku wieder bei 80 Prozent, wer es schneller möchte, kann natürlich zu den 800-Volt Modellen des Hauses greifen. An AC werden 11 kW erreicht.

Die Verbräuche lagen aufgrund der niedrigen Temperaturen und teilweise schlechten Wetters über den WLTP-Werten, den kleinen Akku haben wir im Schnitt mit 18,3 kWh/100 km gefahren, die größere Variante mit 20,2 kWh. Bei Außentemperaturen um die 0-Grad-Grenze und entsprechend vielen Verbrauchern im Auto sind das aber überaus ordentliche Werte. Gerade mit dem kleinen Akku sollte man bei wärmerem Wetter auch leicht bei 15 kWh und somit ungefähr dem WLTP-Wert landen können.

Fahreindruck

Wir sind beide Versionen ausgiebig gefahren und rundum begeistert. Angefangen bei der sehr guten Sitzposition über den niedrigen Geräuschpegel im Innenraum bis zum Durchzug des Motors gibt es einfach nichts zu bemängeln.  Das Fahrwerk fühlt sich einerseits kommod an, vermittelt aber dennoch ausreichendes Gefühl für die Straße, und grundsätzlich wähnt man sich in einem größeren Fahrzeug. Die Rekuperation lässt sich mehrstufig regeln oder in einen Automatik-Modus schalten, ganz nach Gusto.

Mit 10,4 m Wendekreis ist man auch in der Stadt sehr souverän unterwegs, ansonsten helfen die diversen Kameras extrem gut bei der Orientierung, wenn man sie denn frei von Schmutz hält. Das bedeutet gerade bei der rückwärtigen Linse immer mal wieder ein bisschen Handarbeit.

Assistenzsysteme

Muss man mittlerweile einen eigenen Absatz über die Assistenzsysteme verfassen? Man muss, denn die diversen von der EU vorgeschriebenen Helferlein mögen zwar auf dem Papier hilfreich sein, doch im Alltag sind sie oft eher nervig. Wir geben zwar die Hoffnung nicht auf, dass es da mal zu neuen Regelungen kommt, bis dahin aber notieren wir, wie „scharf“ die verschiedenen Systeme sind und wie man sie gegebenenfalls abschalten kann.

Nervfaktor 1: der Tempolimit-Assistent. Die Kamera in der Frontscheibe erfasst Tempolimits, und das macht sie auch ausgesprochen zuverlässig. Überschreitet man diese dann jedoch auch nur um 1 km/h, wird man mit nervigen Warnsignalen bestraft. Die Lautstärke diese Signale lässt sich zum Glück in den Einstellungen regeln und sogar auf 0 setzen, dann gibt es alternativ eine Vibrationswarnung. Lässig hingegen ist die Option, die Tempowarnungen mit einem langen Druck auf die „Mute“-Taste im Lenkrad abzuschalten. Das kann man dann bequem beim ersten „Anschlagen“ erledigen – so muss es sein.

Nervfaktor 2: die Warnungen bzw. das aktive Gegenlenken beim Verlassen der Spur. Was beim komfortablen Autobahnassistenten nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig ist, stört im Alltag mitunter, wenn man mal schnell über eine Markierung abkürzt. Hier hilft dann ein langer Druck auf die entsprechend gekennzeichnete Taste im Lenkrad – ebenfalls beispielhaft.

Nervfaktor 3: die Aufmerksamkeitswarnung. Inzwischen verfügt ja jeder Neuwagen über eine kleine Kamera, die darauf achtet, ob man auch auf die Straße schaut. Diese ist im EV3 ziemlich gutmütig und meldet sich nur längerem Umhersehen zu Wort. Wen auch das stört, der kann es in den Fahrzeugeinstellungen deaktivieren.  Für alle drei Systeme gilt: Sie sind bei jedem Fahrtantritt erneut scharfgeschaltet.

Es sind aber noch mehr Assistenten an Bord, und zu den wirklich sinnvollen gehören die zur Kollisionsvermeidung vorne wie auch hinten. So wird man vor Verkehr von hinten oder auch seitlich gewarnt und der KIA notfalls sogar gebremst, um Fremdkontakt zu vermeiden. Das Ganze ist recht sensibel und kann nicht immer unterscheiden, ob man jetzt wirklich auf der kollisionsgefährdeten Fahrspur unterwegs ist, aber lieber einmal zu viel gewarnt als zu wenig. Und auch beim Parken nützt die Sensorik, indem sie mal eben „den Anker wirft“, wenn man sich einem Hindernis zu sehr nähert. Das ist beim ersten Mal ein wenig überraschend, bewahrt einen aber vor Folgeschäden.

Fazit

Der EV3 gehört für uns zu den ausgewogensten bezahlbaren Elektrofahrzeugen, die derzeit zu bekommen sind. Die 400-Volt-Technik kann man angesichts des günstigen Einstiegspreises lässig in Kauf nehmen. Im Austausch bekommt man eine gute, leicht optimierbare Ausstattung und einen extrem hohen Praxiswert. Bravo KIA.