Der Tweet des Bundesrates zum Thema Verbrennungsmotor

Ein kleiner Tweet, große Wirkung?

Ein Tweet mit nur 3 Likes und 9 Retweets, dennoch wichtig. Der Bundesrat hat gestern bei Twitter Stellung zur Kommissionsmitteilung vom 23. September genommen. Es geht dort um nicht mehr und nicht weniger als das Verbot von Verbrennungsmotoren bis 2030.

Man ist gnädig beim Bundesrat. Gnädig zu den Autoherstellern, aber auch gnädig zu den Verbrauchern. Das kurz vor dem Wochenende ins Gespräch gebrachte Verbot für die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren 2030 setzt einen Impuls. Doch was würde dieser, angenommen, er wird so umgesetzt, für die Automobilbranche bedeuten? Nicht mehr oder weniger als die längst fällige Evolution.

Anders entwerfen

2030, was bedeutet das? Klar, kalendarisch sind das 14 Jahre. Das klingt nach einer Menge, ist es aber in der Automobilindustrie nicht. 14 Jahre sind üblicherweise zwei Fahrzeuggenerationen inklusive dazwischenliegender Facelifts oder Modellpflegen. Das heißt, wenn sich heute in Stuttgart, Ingolstadt, Wolfsburg, München oder sonst wo ein Ingenieur ans CAD-Programm oder ein Designer ans Zeichenbrett setzt, würde er wissen, dass er von seinem Entwurf noch ein Nachfolgemodell skizzieren kann, doch die Generation danach soll/muss elektrisch fahren – eben ohne Verbrennungsmotor. Wenn irgendetwas disruptiv ist, dann dieses Zeitfenster, denn keiner wird dann noch irgendeinen Strich zeichnen oder ein 3D-Modell konstruieren, dass nicht irgendwo den Übergang in die neue Mobilität beinhaltet.

Es würde für die Entwickler wenig Sinn machen, noch mit Scheuklappen auf downgesizte 4-Zylinder zu setzen

Es würde für die Entwickler wenig Sinn machen, noch mit Scheuklappen auf downgesizte 4-Zylinder zu setzen und diese weiter zu entwickeln, das wird auch der Gesetzgeber einsehen. So wie der Stand in Sachen Verbrenner ist, ist er gut oder zumindest okay, volle Kraft voraus in die Elektromobilität, denn jedes Auto, das elektrisch über unsere Straßen säuselt, bringt mehr als ein weiter kastrierter Benziner oder Diesel. Statt noch 1, 2 oder von uns aus auch 5 Prozent aus fossilen Triebwerken heraus zu kitzeln, darf man sich im Bau von Elektromotoren üben. Oder das eben outsourcen und labeln. Das bedeutet in der logischen Konsequenz, dass auch das Drumherum, die schöne und natürlich funktionale Hülle auf die neue Technikbasis hin konzipiert werden kann. Kann, nicht muss. Hören wir da die Designer jauchzen? Endlich weg von der alten Trennung zwischen Motorraum und Fahrgastkabine? Stattdessen müssen Batterien, von uns aus auch Brennstoffzellen integriert werden. Motoren in die Räder? Induktive Ladevorrichtungen? Seien wir ehrlich, nichts bleibt dann, wie es war und das ist auch gut so, denn so ganz nebenbei schleicht sich auch eine wachsende Dosis autonomes Fahren in den Alltag ein. 14 Jahre sind dann ehrlich gesagt nicht viel Zeit. Aber die Automobilhersteller hätten Planungssicherheit

Dass man mit dieser Entwicklung rechnet, haben die meisten Automobilhersteller schon bewiesen, meist leider ohne vorzeigbare Resultate, Ausnahmen bestätigen die Regel

„Die Mobilität der Zukunft bei Mercedes-Benz stützt sich auf vier Säulen: Connected, Autonomous, Shared und Electric. ‚Generation EQ‘ bringt all das konsequent zusammen“, so Dr. Dieter Zetsche

„Die Mobilität der Zukunft bei Mercedes-Benz stützt sich auf vier Säulen: Connected, Autonomous, Shared und Electric. ‚Generation EQ‘ bringt all das konsequent zusammen“ Dr. Dieter Zetsche

Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor sind da

Dass man mit dieser Entwicklung rechnet, haben die meisten Automobilhersteller schon bewiesen, wenn auch nur selten mit entsprechenden Serienfahrzeugen. Mercedes hat gerade in Paris seine neue, EQ getaufte, Fahrzeugsparte für elektrische und auch sonst irgendwie intelligente Mobilität präsentiert. Noch nicht wirklich greifbar, aber gut durchdacht, wie es scheint. In etwa drei Jahren soll das erste Fahrzeug im GLC-Segment mit 600 Kilometern Reichweite auf die Straße rollen. Auch bei Volkswagen respektive Audi hat man entsprechende Baukästen in der Schublade und diese auch schon hier und da hervorgeholt und präsentiert.

Dass es auch anders geht, beweisen Firmen wie Opel und Renault. Erstere lassen ab Anfang kommenden Jahres den Ampere-e mit einer beachtlichen Reichweite von 500 Kilometer auf die Straße, zu Preisen unter 40.000 Euro wohlgemerkt. Renault hat mal eben dem Zoe ein Batteriepack mit deutlich höherer Kapazität verpasst, bei gleichen Abmessungen. Der kompakte Franzose kann jetzt bis zu 400 Kilometer zurücklegen, bevor er wieder an die Steckdose muss.

Ein Vorschlag wie der des Bundesrates sollte Ansporn sein, den Staub von den Modellen zu pusten und diese hell erleuchtet in den Eingangsbereich der Entwicklungsabteilungen zu setzen. Selbst wenn wir in der Republik nicht den Allerwertesten hochbekommen und die Elektrifizierung bis 2030 zur Pflicht machen, andere Länder oder gar Kontinente werden dies tun und das mit deutlich ambitionierteren, zeitlichen Zielen. Norwegen hat zwar für 2025 nicht direkt ein Verbot angekündigt, aber strenge Restriktionen sollen die Zulassung eines Verbrenners zu einer echten Herausforderung machen. Wichtiger als die wenigen Autos, die nach Norwegen gehen, sind allerdings Schlüsselmärkte wie China. Dort erstickt man im hausgemachten Smog, der eben auch von der immensen Zahl an Kraftfahrzeugen herrührt. Wie schnell man dortzulande neue Vorgaben durchsetzt hat die zwangsweise Umstellung auf Elektroroller bewiesen, auch wenn die surrenden Plastikbomber wegen der Unfallgefahr nun wieder von den Hauptverkehrsstraßen verbannt werden sollen.

Anders kaufen

Ganz anders stellt sich das für den Autokäufer dar. Was passiert dann mit dem Golf, A3, Focus oder der A-Klasse mit Verbrennungsmotor, die man gerade gekauft hat? Wer wird dafür in 14 Jahren noch Geld auf den Tisch legen? Oder in 7 Jahren oder gar 3, wenn das Leasing ausläuft? All diese Fragen können und müssen die Finanzabteilungen mit cleveren Finanzierungen, Inzahlungnahmen oder auch Rückkaufgarantien regeln. Wenn nicht ab heute, dann zumindest ab dem Tag, an dem so eine Verordnung in Kraft tritt. Für den Firmenwagennutzer ist das nicht so dramatisch, denn der kalkuliert ohnehin nur mit seinen Raten und einer gewissen Laufzeit. Den Privatmann hingegen berührt das Thema sehr. Ein gesunder Bestandsschutz macht also Sinn.

 

Das Durchschnittsalter eines Autos in Deutschland lag im Januar – durchatmen – bei 9,2 Jahren, so hat es das Kraftfahrtbundesamt Anfang April verkündet. Diesel waren wesentlich jünger (6,7 Jahre), Benziner hingegen hatten im Mittel 10,4 Jahre auf dem Buckel. Wenn Stand jetzt jemand Impulse für eine Marktveränderung setzt, dürfte sicherlich eine starke Kaufzurückhaltung entstehen, bis das Thema Elektromobilität für den Durchschnittsautofahrer greifbar wird. Aber dann! Was sich auf Messen, wie dem Pariser Salon angedeutet hat, bezahlbare Elektroautos mit absolut alltagstauglichen Reichweiten, ist der erste Schritt hin zu einer neuen Breitenmobilität. Förderprogramm tun ihr Übriges dazu, wenn erst einmal das Ende für den Verbrennungsmotor beschlossen ist, werden die Töpfe sicherlich schneller geleert sein, als man sich umschauen kann.

Beeindruckende 60 kWh sorgen im Opel Ampera-e schon ab Januar für bis zu 500 Kilometer Reichweite

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Anders tanken

Stehen also alle Zeichen auf Wandel? So schnell geht das sicher nicht. Bis der Bestand von aktuell 45 Millionen PKW in Deutschland elektrifiziert ist, dürften auch nach 2030 noch einige Jahre vergehen. Das ist auch gut so, weil ja die entsprechende Ladeinfrastruktur geschaffen werden muss. Das bedeutet nicht nur deutlich mehr öffentlich zugängliche Ladeplätze als es sie bislang gibt, vor allem muss es auch unkompliziert möglich sein, zu Hause zu laden, zumindest wenn ein fester Stellplatz oder gar eine Garage vorhanden sind. Statt nächtens den überschüssigen Strom von Windkraftwerken nach Norwegen zu exportieren, gegen Aufpreis wohlgemerkt, könnte dieser in die brav in der Garage wartenden Autos geleitet werden, zu verträglichen Preisen versteht sich. Wenn die Kilowattstunde statt 25 Cent dann nur 5 kostet, macht es Spaß, zu Hause die Ladung für die nächsten 500 Kilometer zu fassen. Auch die ganze Thematik mit Hausbatterien könnte dann dramatisch an Bedeutung gewinnen, in Verbindung mit Fotovoltaik oder Windenergie natürlich noch mehr.

Keine 14 Jahre Zeit hingegen hat man, sich um übergreifende Ladelösungen zu kümmern. Es kann nicht sein, dass man mit einem Bündel an Plastikkarten auf die Reise gehen muss, um auch abseits des Heimtortes elektrisch mobil zu sein. Da ist viel Nachbesserung angesagt. Ein übergreifendes, standardisiertes Netzwerk, wie es Tesla mit seinen Superchargern vormacht, wäre ein Traum, zumindest entlang der Autobahnen und im nahen Ausland, schiedlich endet der Mobilitätsdrang Nichten der Grenze

Mögen die Spiele beginnen

Sicherlich werden viele Diskussionen folgen, doch die Duftmarke ist erst einmal gesetzt. Dass große Teile des Verkehrs auf Elektroantrieb wechseln müssen und sollten, steht außer Frage. Wann der private Autofahrer vor der Entscheidung dazu stehen könnte, entscheidet sicherlich die jetzt losgetretene Diskussion.

Wer den Beschluss des Bundesrates im Detail lesen möchte, findet diesen hier als PDF: Beschluss des Bundesrates vom 23.09.2016