Die Speerspitze der neuen elektrischen Generation
Der EQS ist nicht mehr und nicht weniger als die vollelektrische S-Klasse und wird noch dieses Jahr auf den Markt kommen. Die Basis: eine neue Plattform namens EVA. Das Ergebnis: Luxus in gewohnter Perfektion, eben nur elektrisch.
Man mag Mercedes vorwerfen, das Thema Elektromobilität längere Zeit etwas nachlässig behandelt zu haben, jetzt aber drehen die Schwaben richtig auf. Während EQC und EQA ja noch auf modifizierten Verbrenner-Plattformen basieren, steckt unter dem EQS erstmals die neue vollelektrische Architektur namens EVA, das ist kurz für Electric Vehicle Architecture. Der Elektrobaukasten findet natürlich nicht nur im EQS statt, sondern ist auch die Basis für den neuen EQE, also die vollelektrische E-Klasse, und die SUV-Derivate beider Baureihen. Diese Modelle werden darum ebenfalls zeitnah präsentiert werden. Man kann also gespannt bleiben.
Hinterrad- oder Allradantrieb?
Zum Marktstart kommen der Mercedes EQS 450+ sowie der Mercedes EQS 580 4MATIC in den Handel. Der Mercedes EQS 450+ verfügt über einen Hinterrad-Antrieb, während die Formel 4MATIC beim EQS 580 schon den Allradantrieb verrät. Mit einer Länge von 5,22, einer Breite von 1,93 und einer Höhe von 1,51 Metern ist der EQS ein stattliches Fahrzeug.
Der EQS ist zwar ein enger Verwandter der neuen S-Klasse, steht aber auf einer reinen Elektroarchitektur. Die Front ist zu einer Black-Panel-Einheit zusammengefasst. Innovative, über ein Leuchtband verbundene Scheinwerfer und die tiefschwarze Kühlerverkleidung (Black Panel) bilden das eigenständige Gesicht. Hinter „Digital Light“ verbirgt sich in jedem Scheinwerfer ein Lichtmodul mit drei extrem lichtstarken LEDs, deren Licht mit Hilfe von 1,3 Millionen Mikrospiegeln gebrochen und gerichtet wird. Pro Fahrzeug beträgt die Auflösung also über 2,6 Millionen Pixel.
Rollendes Material
In den Radhäusern drehen sich aerodynamisch optimierte Rädern in den Dimensionen 19, 20 und 21 Zoll. Der Mercedes-Benz EQS 450+ verfügt über eine Leistung von 245 kW und über ein maximales Drehmoment von 568 Nm. Innerhalb von 6,2 Sekunden geht es auf 100 km/h und die Höchstgeschwindigkeit liegt bei Tempo 210.
Die gleiche Höchstgeschwindigkeit liegt auch beim EQS 580 4MATIC an, allerdings beschleunigt dieser innerhalb von 4,3 Sekunden auf Tempo 100 und verfügt über eine maximale Antriebsleistung von 385 kW bzw. 855 Nm. Das Drehmoment wird übrigens am Getriebeausgang gemessen. Wem diese Leistung noch nicht reicht, der muss sich noch etwas gedulden. Es wird bereits an einer Performance-Variante mit 560 kW Leistung gearbeitet.
Alle EQS besitzen einen elektrischen Antriebsstrang an der Hinterachse, die Versionen mit 4MATIC zusätzlich auch einen an der Vorderachse. Bei den Modellen mit 4MATIC verteilt die Funktion Torque Shift die Antriebsmomente zwischen Vorder- und Hinterachse intelligent und stufenlos. Das benötigte Antriebsmoment an den Rädern wird 10.000-mal pro Minute gecheckt und je nach Bedarf zur Verfügung gestellt: Die Reaktion ist somit viel schneller, als dies bei einem mechanischen Allradantrieb je möglich wäre, was in allen eventuell auftretenden Fahrsituationen für ein Mehr an Sicherheit sorgt.
Electric Intelligence auch hier
Das Herz der Plattform, wie sollte es anders sein, ist das großvolumige Batteriepack im Fahrzeugboden. Im Falle des EQS finden sich hier bis zu 107,8 kWh nutzbarer Kapazität. Die Gesamtreichweite liegt damit laut WLTP bei beeindruckenden 770 km. Diese Akkuvariante ist bei der kräftigen Allradversion mit zwei Motoren verbaut. Die Heckantriebsvariante wird mit 90 kWh aufwarten, ebenfalls ein beachtlicher und alltagstauglicher Wert. Das Batteriemodul ist so aufgebaut, dass unterschiedlichste Zelltypen verbaut werden können.
Die inhouse entwickelte, innovative Batterie-Management-Software ermöglicht Updates Over the Air (OTA). So bleibt das Energiemanagement über die Lebenszeit des Akkus aktuell. Bei der Zellchemie wurde der Kobalt-Anteil der Kathoden auf zehn Prozent reduziert. Die Nennspannung beträgt 396 Volt, die maximale Rekuperationsleistung eines Motors liegt bei 186 kW, die beiden Motoren der 4MATIC schaffen 290 kW.
Cleveres Laden mit 400-Volt-Technik
Doch Kapazität alleine macht nicht glücklich, das wissen wir Elektromobilisten ziemlich gut. Ein entscheidender Faktor für die Praktikabilität im Alltag ist die Ladeleistung. Jetzt steckt im EQS „nur“ die bewährte 400 Volt-Technik, allerdings ist das Batteriemanagement so ausgeklügelt, dass sich der Kraftspeicher mit bis zu 200 kW laden lässt, und das über einen sehr weiten Bereich. So sollen im Alltag in etwa 15 Minuten 300 km Reichweite „nachgetankt“ werden können. Dadurch sollen sich in der Praxis gegenüber den gerade populär werdenden 800-Volt-Systemen nur geringe Einbußen ergeben.
Zum Lademanagement wird zeitnah übrigens auch nicht nur die Verfügbarkeit von Ladesäulen gehören, sondern auch deren realistische Leistung, sofern diese vom Betreiber gemeldet wird. Die entsprechenden Daten können dann in die Routen- und somit auch die Ladeplanung einfließen. Ebenfalls ein Thema: Plug & Charge.
Selbständige Ladesysteme
Je nach Anbieter wird es reichen, den Ladestecker anzustecken, den Rest der Kommunikation sowie der Abrechnung regelt dann die Elektronik. Die gewohnte Identifizierung per App oder RFID-Karte kann dann entfallen. Das soll bem EQS von Anfang an bei IONITY funktionieren. Im EQS geht die Freischaltung übrigens in vielen Fällen auch schon über das Infotainmentsystem.
An AC lädt der Luxus-Stromer mit bis zu 22 kW und kann so auch schnelle Wallboxen oder öffentliche Ladestationen ausreizen. Trotz der schnellen Lademöglichkeiten ist man bei Daimler gewiss, dass die Batterien lange halten. Zehn Jahre Garantie bzw. bis zu 250.000 km sprechen da eine eindeutige Sprache.
Ausdauer dank cW-Bestwert
770km Reichweite? Das klingt nach verdammt viel. Ist das denn realistisch? Auch abseits des Stop-and-Go-Verkehrs der Innenstadt? Tatsächlich schlägt auf der Autobahn nicht die große Stunde der Rekuperation, sondern des Luftwiderstandsbeiwerts, kurz cW. Im Falle des EQS liegt dieser bei 0,20, was mal eben einen Weltrekord für Serienfahrzeuge darstellt. Möglich machen das Zutaten wie der komplett gekapselte Unterboden, aber eben auch eine ausgeklügelte Luftführung zur unvermeidlichen Kühlung der entsprechenden Komponenten.
Und wo man schon mal beim Thema Luft war, haben die Ingenieure mal eben einen riesigen HEPA-Filter verbaut, die der Luft reinigt, bevor sie in den Innenraum gelangt – Zeichen der Zeit. In der Summe reduzieren solche Maßnahmen dann den Verbrauch: Der EQS 450+ soll laut WLTP zwischen 15,7 und 20,4 kWh auf 100 km verbrauchen, der EQS 580 4MATIC zwischen 17,4 und 21,8 kWh.
Mitgefahren
Genug der Daten, kommen wir zum „Mitfahrbericht“. Erster Eindruck, nachdem der EQS langsam vom Stuttgarter Messegelände rollt: So soll eine S-Klasse sein. Der gigantische Hyperscreen, der in einem großen, geschwungenen Glaskorpus das Fahrerdisplay, ein üppiges Zentraldisplay und den optionalen Bildschirm für den Beifahrer vereint, ist schon ein Statement. Mehr Überblick geht kaum, allerdings kann man sich von der Pixelflut auch leicht ablenken lassen.
Souverän gleitet der EQS durch die Straßen rund um Stuttgart, und auch wenn wir nicht selbst am Steuer sein dürfen, kann man die Handlichkeit vom Beifahrersitz aus erahnen. Die Elektroplattform ermöglicht eben extreme Achsgeometrien, und mit der optional um bis zu zehn Grad mitlenkenden Hinterachse glänzt der EQS mit einem Wendekreis von gerade mal zehn Metern.
Stille
Zweiter Eindruck: Es ist flüsterleise. Die Techniker haben viel Zeit und Aufwand in die akustische Abstimmung sowie die Dämmung investiert. Das beginnt schon beim Motor, dessen Kapselung und Lagerung, und reicht über Dämmmaterialien an allen Ecken und Enden bis hin zu speziellen Akustiktilgern in der Heckklappe, die Wummern unterdrücken sollen. Dass das ohrenscheinlich funktioniert, merken wir daran, dass das einzige, wahrnehmbare Geräusch der Lüfter eines Notebooks ist, das im Vorserienfahrzeug noch für die Techniküberwachung hier platziert ist.
Ansonsten herrscht eine himmlische Ruhe, auch auf der Autobahn, allerdings gab es auf der Teststrecke auch keine Möglichkeit, das Flaggschiff mal voll auszufahren. Der cW-Wert legt aber nahe, dass Windgeräusche hier erst bei höherem Tempo ein Thema sein werden. Wem das zu leise ist – und solche Fahrer mag es ja geben – der kann drei verschiedene Geräusch-Szenarien anwählen, die von beruhigend bis leicht offensiv die Fahrdynamik auch akustisch erlebbar machen.
Und auch fürs Auge gibt es etwas: Das Ambientelicht kann nicht nur mit statischen Farben erfreuen. Es gibt auch lauflichtartig animierte Lichtszenen, ebenfalls abhängig davon, wie sehr der Fahrer den EQS gerade fordert. Die clevere Rekuperation bremst den EQS übrigens abhängig von Strecke, Topographie und natürlich dem vorausfahrenden Verkehr. Wenn es sein muss, auch bis zum Stillstand.
Fazit
Darf man nach einer „Beifahrt“ resümieren? Wir tun das einfach mal. Mercedes hat schon auf den ersten Eindruck beim EQS vieles richtig gemacht. Die gnadenlose Optimierung des cW-Wertes ist ein essenzieller Baustein zur Erzielung hoher Reichweiten, und ein Auto dieser Kategorie wird sicher nicht nur zum Brötchenholen eingesetzt. Die akustischen Vorteile der Elektromobilität sind hier ganz offensichtlich auch transportiert worden, sodass man auch nach langen Strecken höchst entspannt aussteigen wird.
Und zu guter Letzt kann man dem EQS in Sachen Qualität bescheinigen, dass er den Ansprüchen, die Kunden an die Marke Mercedes haben, mehr als gerecht werden wird. Reisen auf höchstem Niveau dürfte eine der Kerntugenden dieses Automobils sein, und die verbaute Elektroplattform namens EVA als Basis für weitere Fahrzeuge hat viel, viel Potenzial.