Eigentlich soll Elektromobilität zu einem ökologisch und ökonomisch sinnvolleren Einsatz individueller Mobilität verführen. Eigentlich. Aber wer hat jemals gesagt, dass elektrisches Autofahren unter allen Umständen ökonomisch sein muss und mit „spaßbefreit“ zu verbinden ist? Bestimmt nicht der BMW iX2.

Ich gestehe: Wenn ich mich in ein Elektroauto setze, dann klickt eins meiner internen Relais einmal leise, und ich bin gefangen in einem Effizienz-Modus. Möglichst verbrauchsarm. Möglichst nah am WLTP-Verbrauch. Möglichst spät und selten nachladen.

Natürlich ist das erst einmal nobel und auch gut. Schaue ich dann jedoch auf meinen Verbrenner-Fuhrpark, dann ist wenigstens die Hälfte der Fahrzeuge auf Fahrspaß und nicht auf Vernunft ausgelegt. Wir schreiben den 20. Februar 2024, und ich habe beschlossen, dass ich mal aufwachen und umdenken muss. Und vor allem auch will. Der Impulsgeber heißt Neuer BMW iX2, den ich als xDrive 30 in Portugal fahren darf.

Neue Welt

Der iX2, den BMW parallel auch ohne „i“ auch als Verbrenner anbietet, präsentiert sich äußerlich schon mal als pure Unvernunft. Ein SUV in Coupé-Form, im Vergleich zum Vorgänger um 19,4 cm in der Länge gewachsen. Mit ausladenden Schultern am Heck, die Kraft ausdrücken sollen, und einer abfallenden Dachlinie, die dem Fahrzeug die gute Übersicht und die angenehme Kopffreiheit des deutlich vernünftigeren Bruders iX1 nimmt. Auf den ersten Kilometern durch die Außenbezirke von Cascais quittiert das sportliche Fahrwerk des iX2 in akkurater Zusammenarbeit mit den ansehnlichen, aber weder dem Verbrauch noch dem Komfort zuträglichen 20-Zoll-Alurädern die deutlichen Unebenheiten der Straßen mit sportlicher Straffheit. „Unbequem …“, denke ich noch.

Auf der Autobahn geht es dann nach Norden, und der BMW weiß mit angenehmer Ruhe im Innenraum zu überzeugen. Windgeräusche bis zu den portugiesisch-legalen 120 km/h? Fehlanzeige. Und auch die Abrollgeräusche haben die Bayern sehr angenehm weggedämmt. Lediglich auf der Rücksitzbank kann man sie deutlich hören. Der WLTP-Verbrach des xDrive30, der an jeder Achse mit einem 140 KW (190 PS) leistenden und 247 Nm starke Elektromotor ausgestattet ist, wird mit 17,7 kWh angegeben. Die Systemleistung der beiden Motoren beträgt laut BMW 230 kW (313 PS), das gemeinsame, maximale Drehmoment 494 Nm.

Von all dieser Leistung spüre ich kaum etwas, während ich mich – den WLTP-Wert fest im Auge – bei sommerlichen 21 °C durch Portugal bewege. Am Ende des ersten Teils unserer Testfahrt in Ribeira d’Ilhas zeigt der Bordcomputer 18,2 kWh/100 km an. Seit mein Testwagen das Werk in Regensburg verlassen hat, wurde er 3.200 km bewegt und kommt auf einen Verbrauch von 19,3 kWh/100 km. Ich bin sehr zufrieden mit mir. Effizient gefahren. Toll!

Und dann folgt der …

… Wendepunkt …

… auch dieser Geschichte. Auf dem Rückweg beschließen wir, an der Küste über Landstraßen durchs Hinterland zu fahren. Kleine Städtchen, kurvige Straßenverläufe und die stete Nähe zum Meer versprechen eine angenehme Rückfahrt. Wäre da nicht diese Renault Zoe, ganz offensichtlich ein Touristen-beladener Leihwagen, die laaaangsaaaam vor uns fährt. Ok. Schleicht.

Links hinter dem wohlgeformten Lenkrad des iX2, welches ich auch gerne als Handschmeichler bezeichne, befindet sich statt Schaltwippe oder Rekuperationsversteller ein Hebel, der eine „Sport Boost“-Funktion aktiviert. „Für besonders agile Zwischenspurts“, lässt mich BMW wissen, sei sie gut. An dieser Wippe ziehe ich und dann: Pedal to the metal! Vollstrom. Ich werde in den sportlichen, im übrigen auch sehr bequemen, Fahrersitz gepresst. Wir fliegen an der Zoe vorbei.

Kurz vor der nächsten Kurve lasse ich die Sportbremse greifen. Aber wozu eigentlich. Das Grinsen der Beschleunigung – von 0 auf 100 km/h braucht der xDrive30 5,3 Sekunden – noch im Gesicht, nehme ich die nächsten paar Kurven, ohne großartig langsamer zu werden. Verdammt: Ja, das macht Spaß! Warum also weiter geißeln? Dann teste ich halt ausgiebig das Sportfahrwerk, denke ich immer noch grinsend. Und mit diesem bin ich dann auch sehr zufrieden. Ich hatte aber auch von einem BMW – selbst einem hochgebockten – nichts anderes erwartet.

Qualitätsarbeit

Das gilt auch für andere Selbstverständlichkeiten. Das 10,25 Zoll große Fahrerdisplay ist gut ablesbar, die Informationen werden übersichtlich präsentiert. Lediglich ein reduzierter Modus fehlt mir. Aber dann schaue ich eh kaum ins Mäusekino hinter dem Lenkrad, habe ich doch ein sehr gut ablesbares Head-Up-Display, was alle relevanten Informationen in die Scheibe projiziert. Um das Infotainment-System auf dem 10,7-Zoll-Touchscreen zu erreichen, muss man sich leicht im Sitz strecken. Auch muss ich mich bei all den Apps kurz orientieren, um die gewünschten Funktionen zu finden. Dankenswerter Weise ist die Spracherkennung clever genug, um mir die eine oder andere Aufgabe abzunehmen.

Der Preis der Unvernunft – überschaubar

Die Rückfahrt verläuft somit deutlich spaßiger. Der Verbrauch bleibt mit 19 kWh/100 km im Rahmen, denn der BMW rekuperiert eben gut. Schaltet man das Fahrzeug vom D(rive)- den B(rake)-Modus, so aktiviert man das One-Pedal-Driving. Aber auch sonst unterstützt der BMW mich als Fahrer beim Energie-spendenden Bremsen vor Kurven oder bei Tempolimits. Diese Funktionalität wird von den Sensoren der Assistenzsysteme bereitgestellt, die allesamt sehr gut funktionieren. Und wer sich heuer nicht in der Lage sieht, die Spur auf der Autobahn selbstständig zu wechseln, dem nimmt das Auto diese anstrengende Aufgabe jetzt auf Wunsch ab. Ich muss in letzter Zeit des öfteren über die Zukunftsvision der Menschheit in Pixars-Animationsklassiker „Wall-e“ denken.

Ist der 64,8-kWh-Akku dann doch einmal leer – und nein, mit meinem neuen Selbstverständnis für spaßige Elektroautos werde ich die WLTP-Reichweite von 417 km auch bei bestem Wetter und Strecken nicht erreichen – dann nimmt der gar nicht mehr so kompakte BMW im Peak 130 kW am Schnelllader entgegen. Von 10 bis 80 % SoC dauert es im Idealfall 29 Minuten. Am AC-Lader kommen die Elektronen serienmäßig mit 11 kW gelaufen – da dauert das vollständige Laden des Akkus 6,5 h, was sich mit dem optionalen 22-kW-Lader naturgemäß halbiert. Lobenswert ist die Ladeplanung, welche zwar schon einen langen Augenblick benötigt, um die Heimfahrt von Lissabon nach Bielefeld zu planen, aber das wären eben auch schon über 3.500 Kilometer und – etliche Ladestopps. Zu jedem Ladestopp gibt es detaillierte Informationen – Ladegeschwindigkeit, Anzahl der Säulen, Verköstigung und Einkaufsmöglichkeiten.

Der Preis der Unvernunft – puh

70.370 Euro soll unser Testwagen kosten – ohne Optionen zahlt man 56.300 Euro. Der Tester ist zwar fast voll ausgestattet, selbst die üppige Niere hat einen illuminierten LED-Kranz namens Iconic Glow, dennoch ist das eine Menge Geld für einen kompakten SUV mit gerade mal 64,8 kWh Akkukapazität. Geht man davon aus, dass man nur 70 % der Reichweite nutzt (wir laden ab 10 % und nur bis 80 %), dann bleiben 46 kWh zur freien Verfügung. Da kann man schon mal alle 200 km eine knappe halbe Stunde an der Säule stehen.

Das wird den potenziellen iX2 Fahrer kaum stören. Genau so wenig wie der Preis. Oder das Kofferraum-Volumen von 525 Litern, was sich durch das Umlegen der Rücksitzbank auf 1.400 Liter vergrößern lässt. Oder die Anhängelast von 1,2 Tonnen. Er wird sich eher an dem großen Glaspanorama-Dach erfreuen, was sich aber nicht öffnen lässt. Sich im Dunklen von den optionalen Matrix-LED-Scheinwerfern die Straße ausleuchten lassen und ein paar Tage an den Einstellungen des Harman/Kardon-Systems herumfummeln, bis es sich nicht zu basslastig anhört und auch die Mitten auch hübsch ausspielt.

Emotionen pur

Ich selbst finde den BMW iX2 nicht mal schick, wohl aber das Boston Grey Metallic, in dem lackiert ist. Ich kann es aber niemandem verdenken, der sich an diesem Vehikel erfreuen kann und dann mit viel Fahrspaß den Akku leerfährt. Und wer das Auto mag, aber nicht ganz so tief in die Tasche greifen mag, kann sich den heckgetriebenen eDrive25 ansehen. Dessen Preisrange beginnt bei 49.400 Euro.

Technische Daten:

Typ:batterieelektrisch, Kompaktklasse
Motoren:2x Elektromotor, 230 kW
Hochvoltspeicher:Li-Ion, 64,8 kWh
Elektrische Reichweite (WLTP):417 km
Antriebskonzept:Frontantrieb elektrisch
Ladezeit AC:195 min (22 kW optional)
Ladezeit DC auf 80 %:29 min 130 kW
Höchstgeschwindigkeit:180 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:5,3 s
Abmessungen:4.554 x 1.845(2.104) x 1.560 mm
Leergewicht/Zuladung:2.095 kg/510 kg
Kaufpreis inkl. Akku:ab 56.300 Euro