Man kann kaum noch Schritt halten mit all den neuen Fahrzeugen bei Mercedes. Dennoch wäre es schade, wenn der EQB dabei durchs Raster fällt. Darum haben wir den optionalen Siebensitzer auf mehr als 1.000 km auf Herz und Nieren geprüft.
Nein, er beherrscht keine Laderekorde und nein, er ist auch nicht der King in Sachen Geschwindigkeit. Dennoch sprechen viele Fakten für den EQB, der als vollelektrischer Ableger des Verbrennermodells GLB viele von dessen Qualitäten geerbt hat. Vor allem das Platzangebot.
Sieben Sitze und das rein elektrisch? Das ist angesichts des aktuellen Angebotes am Markt eine echte Herausforderung. Denn eigentlich gibt es da nur diverse Vans und Hochdachkombis, beispielsweise von Citroën, Opel und Peugeot vom Stellantis-Konzern, den ebenfalls darauf basierenden Toyotas und natürlich den e-Vito von Mercedes. Wer es jedoch kompakt, aber edel mag, der schaut noch in die Röhre. Es sei denn, er wirft einen Blick auf den EQB. Dieser ist gegen Aufpreis als Siebensitzer erhältlich, auch wenn in der dritten Reihe dann Personen bis maximal 1,60m Größe unterkommen sollen. Aber genau das ist es ja, was in vielen Familien gesucht wird. Wir haben uns das eher unauffällige SUV zur Brust genommen und uns auf die Langstrecke begeben.
Edel und ohne Ungereimtheiten
Innenraum können sie bei Daimler. Wer im EQB Platz nimmt, blickt auf ein einerseits aufgeräumtes, andererseits sehr luxuriöses Interieur. Die beiden Screens des Infotainments kennt man von den anderen Fahrzeugen des Hauses. Die Steuerung der jeweiligen Inhalte über kleine Touchpads im Lenkrad hat man schnell im Griff und navigiert so lässig durch die wundervoll animierten Menüs.
Das Gleiche kann man über das Infotainment behaupten. Die Funktionen in Sachen Fahrerinformation und Unterhaltung lassen wenig Wünsche offen, dennoch kann man natürlich via Apple CarPlay und Android Auto so ziemlich jeden sinnvollen Dienst nutzen, also auch Fremdnavigationen oder spezielle Tools zum Auffinden von Ladestationen.
Gerade die Ladeplanung hat Mercedes extrem gut drauf. Einfach das (weit entfernte) Ziel eingeben und schon berechnet der EQB die bis dahin nötigen Ladestopps. Im Prinzip kann man sich auf die ausgesuchten Ladestandorte blind verlassen. Nur das eine oder andere Mal haben wir uns gefragt, warum der Benz einen Autohof ansteuert und dafür zwei, drei Kilometer Umweg in Kauf nimmt, wenn kurz danach auf der Autobahn Lademöglichkeiten direkt an der Strecke bestanden hätten. Nichtsdestotrotz kommt man immer bestens an, was nicht jeder der Wettbewerber über seine Ladeplanung sagen kann.
Lässiges fahren
Der der EQB ist zwar kein Supersportler, aber dennoch flott unterwegs. Die 215 kW und 520 Nm der zwei Elektromotoren beschleunigen das SUV in 6,2 Sekunden auf die 100er-Marke, was nicht nur gefühlt bei den fast 2,2 Tonnen Leergewicht eine sehr gute Leistung ist. Im Alltag hingegen lernt man die Gleiter-Qualitäten schätzen. Das Fahrwerk des Mercedes bügelt vieles weg und macht selbst die immer häufiger auftretenden Speedbumps ausgesprochen erträglich. Sein Revier sind jedoch Landstraßen und Autobahnen. Hier folgt er präzise dem vorgegebenen Kurs und vermittelt ein extrem beruhigendes Fahrgefühl. Das gilt auch für das Fahrgeräusch. Bis hinauf zu 130 Sachen ist es angenehm leise, wenn denn der Untergrund das nicht torpediert. Will man die Endgeschwindigkeit von 160 km/h ausreizen, machen sich Windgeräusche bemerkbar.
In der Stadt ist der EQB trotz seiner Länge von fast 4,70m handlich genug. Sein Wendekreis von rund 11,5 m ist klassentypisch. Mit den diversen Assistenzsystemen bis hin zur 360° Kamera zirkelt man den Benz souverän in Parklücken und auch in engen Straßen hat man aufgrund der steil abfallenden Karosserie einen sehr guten Überblick und kann die Dimensionen des Fahrzeugs bestens einschätzen. Überhaupt muss man an dieser Stelle mal die Kamerasysteme von Mercedes loben, qualitativ gibt es da wirklich nichts zu bemängeln und auch die Auslegung der Optiken ist schlichtweg perfekt.
„Gute gemachte Rekuperation“
Zum Fahren gehört beim Elektroauto auch das Rekuperieren und das absolviert der EQB mit Mercedes-typischer Perfektion. Man kann wahlweise selbst die Energierückgewinnung in vier Stufen variieren oder man überlässt das der Automatik, die ihren Job hervorragend macht. Das System orientiert sich dabei nicht nur am vorausfahrenden Verkehr, sondern auch an der Topographie sowie dem Streckenverlauf. Vor Kreisverkehren wird daher beispielsweise automatisch verzögert und ist man auf der Autobahn unterwegs, kann sich der Mercedes, wenn gewünscht, automatisch an den wechselnden Tempolimits orientieren. Hier schlägt dann auch die große Stunde des Spurassistenten, der seinen Job wirklich gut macht. Natürlich nur im erlaubten zeitlichen Rahmen.
Relevant für die Reichweite ist natürlich auch der Verbrauch und da ist der EQB im soliden Mittelfeld angesiedelt. Bei Tempo 100 genehmigte sich der Mercedes 21,4 kWh/100 km, bei 120 Sachen waren es denn 24,4 und bei Tempo 140 immerhin schon 27,8 kWh. Das sind Werte, die angesichts von Bauform, Gewicht und Komfort in Ordnung gehen, aber gerade höhere Autobahngeschwindigkeiten gehen dann schnell auf die Reichweite. Wer also lange Etappen absolvieren möchte, hält sich beim Einsatz des Fahrpedals lieber zurück. Übrigens sollte nicht vergessen werden, dass es den EQB auch als 300 4MATIC bzw. als 250 gibt. Gerade die letzte Variante mit ihrem Frontantrieb dürfte auf der Autobahn längere Distanzen zwischen den Ladestopps ermöglichen.
Insgesamt fährt der EQB wirklich fabelhaft. Das Zusammenspiel aus Antrieb, Fahrwerk und Rekuperation macht selbst längste Strecken zu einem echten Vergnügen. Und das gilt dank des guten Platzangebotes auch für die zweite Reihe, die Notsitze hingegen dürften ja ohnehin eher bei kürzeren Strecken zum Einsatz kommen.
Nur 100 kW Ladeleistung, aber die fast immer
Eines der wichtigsten Themen ist beim E-Auto das Laden und da wirkt der EQB auf den ersten Blick ein wenig veraltet. Gerade mal 100 kW Ladeleistung hat Mercedes dem SUV mit auf den Weg gegeben, was bei einer Batteriegröße von 66,5 kWh nicht wirklich viel ist. In der Praxis merkt man dann schnell, dass diese 100 kW ziemlich lange gehalten werden. Bis zu 80 Prozent Ladezustand rutscht die Anzeige an beliebigen HPC-Ladern kaum unter die 100er Marke, sodass der typische „Ladesprint“ von 10 auf 80 Prozent tatsächlich in rund 35 Minuten absolviert ist. Nichtsdestotrotz bieten andere Hersteller in dieser Preisklasse aber bereits 800-Volt-Technik und damit gut doppelte Ladeleistungen.
Was der Benz bestens beherrscht, ist die Vorkonditionierung der Batterie. Sofern man ihn, wie oben beschrieben, die Ladeplanung übernehmen lässt, temperiert er den Kraftspeicher bei der Anfahrt zur Ladesäule entsprechend vor. Das spart gerade im Winter wertvolle Zeit, wenn man mal mit halbvollem oder fast leerem Akku auf Langstrecke gehen will oder muss.
Lobenswert erwähnen sollte man auch die perfekt ausgeführten Abdeckungen der Ladeports, die mit einem Fingertipp zur Seite klappen. Hier muss man keine Gummistöpsel nach dem Ladevorgang wieder in dunkle Löcher bugsieren. Klappe zu und fertig – so sollte es immer sein. An Wechselstrom lädt der EQB mit bis zu 11 kW, was ein bequemes Volltanken über Nacht ermöglicht, aber auch einen zwei- oder dreistündigen Ausflug in die Stadt als durchaus sinnvolle Ladeoption dastehen lässt.
Wenig Schatten
Gibt es auch etwas ernsthaft zu kritisieren? Ja, dass Mercedes dem EQB keine Option für eine Anhängerkupplung auf den Weg gegeben hat. Das macht ihn nicht nur für Anhängerfreunde uninteressant, sondern auch für den Transport von Fahrrädern oder ähnlichem Sportequipment auf einer entsprechenden Vorrichtung. Warum das so ist, bleibt das Geheimnis der Konstrukteure, technische Gründe dafür erschließen sich uns nicht.
Fazit
Den EQB haben viele E-Auto-Interessenten gar nicht auf dem Schirm. Zu Unrecht. Er bietet viel Platz, beste Verarbeitungsqualität und einen extrem guten Fahrkomfort. Die nominell langsame DC-Ladung lässt sich angesichts der realen Werte verschmerzen.
Fahrzeugkategorie: SUV
Typ: batterieelektrisch
Antrieb: Allradantrieb elektrisch
2 x Elektromotor mit insgesamt 215 kW
Batteriekapazität: 69,7 /66,5 kWh (brutto/netto)
Reichweite (WLTP): 395 km
Ladeleistung AC: 11 kW
Ladezeit AC auf 100%: ca. 435 min
Ladeleistung DC: 100 kW
Ladezeit DC 20 auf 80%: ca. 35 min
Ladestecker: Typ2 oder CCS
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
0-100 km/h: 6,2 s
Verbrauch WLTP: 18,1 kWh/100 km
Verbrauch im Test
Gesamt: 21,6 kWh/100 km
City: 18,2 kWh/100 km
Landstraße: 19,3 kWh/100 km
Autobahn 100 km/h: 21,4 kWh/100 km
Autobahn 120 km/h: 24,4 kWh/100 km
Abmessungen: 4684 x 1834 x 1701 mm
Kofferraumvolumen: 495 l bis 1710 l
Leergewicht / Zuladung: 2175 kg / 515 kg
Anhängelast / Stützlast 1600 kg / 480 kg
Kaufpreis inkl. Akku: ab 58,197 Euro