
Mit dem EV9 hat KIA bereits Rückgrat in Sachen Design demonstriert. Nun kommt der kleine Bruder EV3 mit gleicher Design-DNA und vielen Features des 9ers – auf einem deutlich bezahlbareren Preisniveau. Wir sind den Koreaner in Portugal gefahren.
Mit dem KIA EV3 stellt der koreanische Hersteller sein jüngstes Modell vor, das viele Design-Elemente des EV9 aufgreift, aber in einem deutlich kompakteren Format daherkommt: Gerade mal 4,3 Meter Länge und 1,85 Meter Breite kompakt, verbraucht er satte zwei Quadratmeter weniger Fläche als der große Bruder. Trotzdem sorgt eine sehr intelligente Verteilung der Technik für einen großen und ansprechend gestalteten Innenraum.
Das Design an sich wird sicherlich polarisieren, wir halten es aber für eine echte Bereicherung im automobilen Alltag und freuen uns schon darauf, den kleinen Koreaner häufig auf der Straße anzutreffen. Die markante Silhouette transportiert den Formfaktor des großen SUVs in deutlich kompromissfähigere Dimensionen und definiert den EV3 gewissermaßen als das SUV für Intellektuelle, zumindest was das Design angeht.
Ebenfalls zum Design gehört natürlich der Faktor Materialität. Kia hat viele Materialien mit einem hohen Recycling-Anteil bzw. komplett recycelbar verbaut. Ehrlich gesagt kann man sich mit einem anderen Mix auch heute kaum noch auf die Straße trauen. Die Lichtsignatur hat der EV3 ebenfalls beim großen Bruder geklaut, was sicherlich nicht zu seinem Nachteil ist. Er ist schon aus der Distanz gut zu erkennen und vertritt das neue Familiengesicht in reinster Form.

Interieur
Ausgesprochen markant ist das Interieur. Die komplette dreiteilige Display-Einheit ist vom großen Bruder EV9 übernommen: links das Fahrer-Display, dazwischen ein kleineres Display im Hochkantformat zur Steuerung der Klimafunktion und rechts daneben wieder ein großer Bildschirm für die Navigation oder Darstellung der Medien. Mit einem Tastendruck kann man das kleine Klimadisplay auf den rechten Screen ausweiten. Sinnvoll, da man als Fahrer das mittlere Display mit Lenkrad und Hand schon mal abdeckt.
Ansonsten gibt es die üblichen Bedienelemente, darunter glücklicherweise eine ganze Reihe von Hardkeys, die beispielsweise die wesentlichen Klimafunktionen wie Temperatur und Luftverteilung steuern. Eine Reihe von in die Armaturenbrettoberfläche integrierten Softkeys, mit denen man zwischen dem Hauptmenü der Navigation oder beispielsweise der Medienansicht wechselt, und eine ganze Reihe von Bedienelementen im Lenkrad zur Mediensteuerung beziehungsweise auch zur Bedienung des Tempomaten.
In der Mittelkonsole finden sich eine Ablage zum induktiven Aufladen eines Telefons, zwei geräumige Cup-Holder sowie ordentlich Staufläche. Speziell ist der in der Armlehne untergebrachte ausziehbare Ablagebereich, den Kia explizit dafür vorgesehen hat, um dort bei einem Ladestopp beispielsweise auch mal sein Essen oder ein Notebook, mit dem man arbeiten möchte, abzustellen. Daher lässt sich diese Fläche relativ weit nach vorne ziehen, sodass man sie wirklich gut nutzen kann.
An Anschlüssen stehen zwei USB-C-Ports bereit, einer zur Verbindung mit dem Infotainment, ein anderer nur zum Aufladen. Hat man darüber beispielsweise sein iPhone angedockt, wird auf Wunsch gleich die Verbindung zu Apple CarPlay aufgebaut und man kann auf dem großen Zentraldisplay die komplette Klaviatur an iPhone-Programmen nutzen, die für CarPlay vorgesehen sind.
Noch mehr Infotainment gefällig? Man wird zukünftig auch Streamingdienste für Musik und Video im Infotainment installieren können, um sich so die Ladepausen zu vertreiben. Der Sprachassistent soll zudem bald mit den Fähigkeiten von ChatGPT glänzen und so ebenfalls einen Mehrwert in Sachen Information bieten.
Das Raumgefühl im Inneren ist extrem großzügig. In der Breite kommt man sich mit dem Beifahrer oder der Beifahrerin nie ins Gehege, außer man wünscht das explizit. Aber auch hinter den Vordersitzen ist ausreichend Platz für Erwachsene oder große Kinder, sodass man dem EV3 absolute Familientauglichkeit bescheinigen kann. Das gilt auch für den Kofferraum mit über 400 Liter Ladevolumen.
Bei umgeklappter Rückbank sind es sogar mehr als 1.200 Liter. Der Einstieg gestaltet sich sowohl vorne wie hinten extrem komfortabel. Die weit öffnenden Türen und die großen Öffnungen bieten ungehinderten Zutritt zur jeweiligen Sitzreihe.
Im Kia ist Technik mit den Genen der darüberliegenden Klassen verbaut. Das betrifft einerseits den sehr kompakt bauenden, effizienten Elektromotor als auch die sehr kompakt konstruierte Heizungs- und Klimaeinheit. Diese beiden Elemente lassen in der Kombination viel Raum, der ebenfalls den Passagieren zugute kommt. Über dem verordneten Motor ist auch ein Frunk, also ein vorderer Kofferraum, platziert mit rund 25 Litern Volumen, in dem sich bequem das Typ 2 Ladekabel verstauen lässt oder auch andere Utensilien, ganz nach Vorliebe.



Die Technik
Aktuell stehen zwei Batteriegrößen zur Wahl, 58 kWh und 81 kWh. Mit der größeren soll der Kia EV3 eine Reichweite von über 600 km erzielen können. Dieses Modell sind wir auch in Portugal gefahren und haben den kompakten Koreaner über die Landstraßen und Autobahnen der portugiesischen Küstenregion getrieben. Den Antrieb übernimmt immer ein 150 kW bzw. 204 PS starker Elektromotor. Mit den aktuellen Antrieben beschleunigt der Kia in 7,5 bzw. mit der großen Batterie in 7,7 Sekunden auf 100 kmh – Gewicht kostet Zeit. Die Höchstgeschwindigkeit ist bei beiden Modellen bei 170 km/h elektronisch abgeregelt. Später sollen übrigens noch eine Allrad-Version sowie ein GT folgen, es bleibt also spannend.
Fahreindruck
Besonders relevant bei einem Auto ist immer wieder der Fahreindruck. Und hier kann der Kia EV3 durchweg punkten. Die Stoßdämpfer, die frequenzabhängig, also je nach Beschaffenheit des Untergrundes, ihre Härte variieren, sorgen dafür, dass man einerseits auf langen, glatten Pisten extrem hohen Komfort genießt, andererseits auch Hindernisse wie Speedbumps souverän überfahren kann, ohne dass die Kabine zu sehr ins Schaukeln kommt. Auf schlechteren Straßen mit vielen Schlaglöchern hingegen reagiert die Federung sehr schnell und agiert entsprechend softer, sodass der ondulierte Untergrund in keinster Weise in den Innenraum durchkommt.
Die Beschleunigung ist selbst für den ambitionierten Spurt auf die Autobahn oder den Überholvorgang auf der Landstraße absolut ausreichend. Man fühlt sich wie in einem deutlich größeren Auto. In Kurven merkt man dem Kia die fast 1.900 kg Leergewicht zwar an, kann aber dennoch ganz beachtlich durch die Kurven räubern. Er fährt ausgesprochen präzise und gezielt auch durch enge Kurven, ohne dass man zu sehr am Lenkrad drehen muss. Die Übersetzung ist einfach perfekt gewählt.
Ebenfalls der ausgeklügelt ist die Rekuperation. Einerseits gibt es vier Stufen, die man mit zwei hinter dem Lenkrad angebrachten Paddles auswählen kann. Andererseits lässt sich durch ein langes Ziehen am linken Paddle der One-Pedal-Drive aktivieren, der aber so konzipiert ist, dass man ihn erst unterhalb von 20 km/h wirklich merkt. Oberhalb dieser Grenze fährt der EV3 dann völlig normal, denn man wird nicht bei jedem Lupfen des Gaspedals schlagartig eingebremst. In der Stadt oder im Stau hingegen lässt sich das SUV aus Korea hervorragend mit nur einem Fuß beschleunigen und bremsen – die Radbremsen haben dann weitestgehend Pause.
Das rechte Paddle am Lenkrad aktiviert durch längeres Ziehen einen automatischen Rekuperationsmodus, der abhängig von der Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug die Energie-Rückgewinnung variiert. Das funktioniert im Alltag sehr gut – wer gezielt und zur weiteren Optimierung des Energieverbrauchs oder eben aus Spaß selbst eingreifen will, hat mit den Paddles alle Möglichkeiten, auch mit dem Rekuperationsmodus zu spielen.
Das Geräuschniveau ist absolut in Ordnung. Eine spezielle Verglasung sorgt für extreme Ruhe und, selbst bei höheren Geschwindigkeiten sind aufgrund des sehr guten cW-Wertes Windgeräusche kein großes Thema. Das verführt dazu, die in unserem Testwagen verbaute HiFi-Anlage von Harman Kardon auch intensiv zu nutzen.



Fazit
Mit dem EV3 hat KIA einen begehrenswerten, kompakten Bruder des EV9 abgeliefert, der auch vom Etat her mit einem Startpreis von 36,000 Euro deutlich besser in das Budget vieler Familien passen dürfte, als der doch zugegebenermaßen große und recht teure Bruder.
Bei unserem ersten Kontakt auf den Straßen rund um Lissabon konnten wir dem EV3 keinerlei Schwächen nachweisen. Komfort, Fahrverhalten und die Ausstattung mit Assistenz- und Sicherheitssystemen sind absolut vorbildlich. Bei Letzteren lässt sich übrigens der von den meisten wohl so sehr gehasste Tempolimit-Assistent durch einen langen Druck auf das Lautstärkerädchen deaktivieren – gut gemacht, Kia.
Mit einem Startpreis ab 36.000 Euro bewegt sich der EV3 in einem illustren Umfeld rund um Volvo EX30 oder smart #1. Auf der anderen Seite sieht sich Kia auch als Wettbewerber zum VW ID.3 oder Cupra Born. Entscheiden wird wie immer der Kunde sein, und wir können nur dazu aufrufen, den EV3 mal selbst in Augenschein zu nehmen.