Wie sieht der denn aus? Dreckig, klar, aber so hoch? Mercedes hat der Entwicklungsabteilung mal freie Hand gelassen und so entstand aus dem bislang schon beeindruckenden Elektroauto ein noch beeindruckenderer Geländewagen, der EQC 4×4. Wir durften ihn schon fahren – in anspruchsvollem Gelände.
Was macht man, wenn man als Entwicklungsingenieur bei Mercedes über ein paar herumliegende Portalachsen stolpert? Wegräumen? Völlig falsch. Man sucht nach einem Zielobjekt, um diese dort zu verbauen und da fiel dem Team um Jürgen Eberle gleich der EQC ins Auge. So ist die Studie EQC 4×42 entstanden, die optisch, vor allem aber auch technisch das Zeug hat, Elektromobilität ins raue Gelände zu bringen.
Was zum Geier sind Portalachsen?
Kurz erklärt findet sich bei einer Portalachse an jedem Rad ein zusätzliches Getriebe, dass die Kraft von der eigentlichen Achse zu einem Punkt weiter unten überträgt. Dort findet sich dann das Rad. Auf diese Art lässt sich die Bodenfreiheit steigern. Mercedes hat das schon mal bei der G-Klasse bewiesen. Am EQC führt die neue Achskinematik zu einer Bodenfreiheit von fast 30 Zentimetern, das ist mehr, als die „normale“ G-Klasse aufweisen kann. Exakt sind es 293 mm, also mehr als das Doppelte der serienmäßigen 140 mm. Auch die Wattiefe führ Wasserdurchfahrten steigt entsprechend: Statt 250mm können nun 400 mm bedenkenlos durchfahren werden, ohne dass es im EQC nass wird. Ähnlich verhält sich das bei Böschungswinkeln vorne und hinten sowie dem sogenannten Rampenwinkel zwischen den Achsen. Erstere steigen von etwa 20 auf über 30 Grad, der Rampenwinkel von 11,6 auf 24,2 Grad.
Kann das was?
Soweit die Theorie in Zahlen. Im Gelände des Offroadparks Ultraterrain in Geisingen durfte der EQC 4×42 beweisen, was das in der Realität bedeutet. Der Einstig in das knapp 20 cm gewachsene Auto ist noch relativ problemlos möglich, allerdings muss man schon geschickt sein, um sich an den schlammverkrusteten Einstigen nicht die Hosen zu versauen. Wir haben es nicht geschafft. Egal, sitzt man erst einmal drin, erblickt man das gewohnt schicke EQC-Interieur. Den feinen Unterschied merkt man am User-Interface: Zu den normalen Fahrprogrammen gesellen sich beim EQC 4×42 zwei zusätzliche Offroad-Fahrprogramme. Eines mit klassischer Schlupfregelung, eines ohne, damit man auch auf losem Boden oder Sand vorwärts kommt.
„Brutale Steigungen und Gefälle, atemberaubende Achsverschränkungen, Wasserdurchfahrten, der elektrische Benz meistert alles souverän und wird so zum echten Geländewagen“
Was der EQC hier ins Gelände stemmt ist beeindruckend. Die brachiale, elektrische Kraft an allen vier Rädern sorgt dafür, dass das Ende der Geländefähigkeit wirklich nur durch die Physik bzw. die bauartbedingten Grenzen bestimmt wird. Brutale Steigungen und Gefälle, atemberaubende Achsverschränkungen, Wasserdurchfahrten, der elektrische Benz meistert alles souverän und wird so zum echten Geländewagen. Der Respekt des Fahrers dürfte hier deutlich früher Grenzen setzen als die Fähigkeiten des EQC.
Unverzichtbar: Die Kamerasysteme mit ihrem Rundumblick. Vor allem, wenn steile Anstiege irgendwann den Blick auf die Strecke durchs Fenster unmöglich machen, ist die Frontkamera das Mittel der Wahl. Mit ihr lassen sich präzise auch enge Brücken oder respekteinflößende Kuppen überwinden. Früher hätte dafür jemand aussteigen oder sich zumindest aus dem Fenster hängen müssen.
„Hat der EQC 4×4 eine Chance, in Serie zu gehen? Ein offizielles Statement gibt es nicht, aber unser Gefühl sagt Ja“
Darf der gebaut werden?
Hat der EQC 4×4 eine Chance, in Serie zu gehen? Ein offizielles Statement gibt es nicht, aber unser Gefühl sagt Ja. Glaubt man den Ingenieuren, dann halten sich die Umbauarbeiten im Rahmen, ja wären theoretisch sogar rückrüstbar. Natürlich sind neben der Nachrüstung der Portalachsen sowie der Montage der Karosserieverbreiterungen noch andere Arbeiten notwendig. Doch scheint der Aufwand kalkulierbar. Wer die Gesichter der Handvoll Journalisten gesehen hat, die den EQC 4×42 fahren durften, weiß, dass das Interesse für so eine Sondervariante durchaus vorhanden ist. Hoffen wir also, dass das Controlling bei Daimler dem EQC fürs Grobe keinen Strich durch die Rechnung macht und wir ihn eines Tages auf der Straße sehen.
Brachiale Optik, experimenteller Sound
Wenn man schon mal experimentiert, dann kann man das auch in Sachen Sound machen. Beim EQC 4×42 geschah das gleich in mehrerlei Hinsicht. Zum einen unterscheiden sich die gesetzlichen vorgeschriebenen Fahrsounds (AVAS) von der Serie. Sie klingen kräftiger, rauer, ein wenig brutaler, aber orientieren sich immer noch an den rechtlichen Vorgaben. Zum anderen schufen die Entwickler aber auch ein akustisches Ambiente rund um das stehende Auto. Wenn der EQC entriegelt wird, kündet ein noch dezentes, aber vernehmbares Brummen von seiner Einsatzbereitschaft.
Die Sounds haben sogar eine Ortbarkeit, da zusätzliche Lautsprecher in den Front- und Heckleuchten integriert wurden. Der dort vorhandene Raum dient als Resonanzkörper. Steht man neben dem Fahrzeug, variiert die Inszenierung von vorne nach hinten, man hat also eine richtige Stereoinszenierung. Geschieht dann einige Zeit nichts, verstummt die Geräuschkulisse, bis man sie mit dem Schlüssel wieder aktiviert. Auch für den Ladevorgang haben die Ingenieure eine akustische Begleitung entwickelt. Der Start des eigentlichen Ladevorgangs ist nun auch als Ton zu vernehmen, gleiches gilt für das Ende.
Innen: Verschiedene Stimmungen zur Auswahl
Wo man außen in Sachen akustischer Wahrnehmung vorgelegt hat, soll der Fahrer auch innen von neuen, optionalen Sounds profitieren. Statt der gewohnten Ruhe im EQC kann man im 4×4 zwischen zwei unterschiedlichen Soundwelten wählen. Die einer eher progressiv und künstlich, die andere eher klassisch an Motorsounds angelehnt. Beim „Strom“ gebe und Rekuperieren macht sich der Mercedes dann deutlich wahrnehmbar bemerkbar und soll so Fahrern, die den gewohnten Motorsound vermissen, als elektronisches Placebo dienen. Als dritte Option wurde von einem Inhouse-Team sogar eine Art musikalische Begleitung entwickelt, die mit sanften Klängen das Fahrgeschehen untermalt. Eigens komponierte Musikelemente sollen entspannen und beruhigen. Wie so vieles fällt auch das unter die Rubik „Geschmackssache“. Solange es abschaltbar bleibt, kann ja jeder Fahrer entscheiden, ob er die zusätzliche Begleitung benötigt oder nicht.